Zukunft Megawatt-Stecker

Drei auf einen Streich: Die Chance für ein Gespräch mit den beiden Geschäftsführern der Phoenix Contact E‑Mobility, Michael Heinemann und Ralf Döhre, sowie dem Geschäftsführer des neuen polnischen Werkes, Marwin Achenbach, konnten wir nicht ungenutzt lassen und haben nach den neuesten Entwicklungen, firmenintern und in Sachen Technologie, gefragt. Mit überraschenden Antworten …

Michael Heinemann, Marwin Achenbach, Ralf Döhre (v.li.)

UPDATE: Welche nächsten Schritte stehen bezüglich neuer Produkte auf der Agenda? Welche Entwicklungen werfen ihre Schatten voraus?

Heinemann: Wir haben uns zunächst auf die Fahnen geschrieben, alle Komponenten rund um den Ladevorgang anbieten zu können. Also von der Infrastrukturseite, der Ladesäule, bis hin zur Ladedose im Fahrzeug. Diese Zweigleisigkeit ist extrem wichtig und wertvoll. Erst bei der Entwicklung und Herstellung aller Bestandteile des Ladeprozesses versteht man den Gesamtzusammenhang und kann das System optimieren.

Wir gehen ja mit jeder neuen Generation der Ladetechnologie immer an die Grenzen des technisch und physikalisch Machbaren. Dazu muss man den gesamten Prozess im Blick haben. Das geht weiter Richtung Steuerung der Ladesäulen, weiter in Richtung Software für das Management vieler Ladepunkte. Unsere Strategie ist da klar: Wir bauen alle Komponenten für den gesamten Ladeprozess. Das fertige E-Auto und die fertige Ladesäule bauen andere.

Die Fahrzeuge von morgen unterscheiden sich in Batterie und Ladetechnik

Michael Heinemann

UPDATE: Welchen Beitrag leistet Phoenix Contact E-Mobility für den Mobilitätswandel? Sind wir auf dem richtigen Weg, wenn wir Kapazitäten aufbauen, während aktuell die Fahrzeughersteller ihre Produktion drosseln?

Heinemann: Wenn man sich anschaut, worin sich die Fahrzeuge von gestern unterscheiden, dann ist das in der Technik und Performance zunächst der Antriebsstrang, also der Verbrennungsmotor und das Getriebe. Das wird sich drastisch ändern. Die Fahrzeuge von morgen unterscheiden sich in Batterie und Ladetechnik. Viel Leistung und viel Reichweite sind gefordert. Das benötigt große Batterien und schnelle Ladezyklen. Daher verstehen wir uns als Enabler für die kommenden Differenzierungen in der Fahrzeugentwicklung.

UPDATE: Konzentrieren wir uns damit nicht zu sehr auf High-End, während der Trend doch klar hin geht zu kleineren Fahrzeugen, die an die tatsächlichen Bedarfe angepasst sind?

Heinemann: Das kann man so nicht sagen. Wir haben die ganze Bandbreite im Programm, nicht nur High-End. Genau das zeichnet uns ja aus. Mit uns können die kleinsten Vehikel genauso laden wie die Luxusfahrzeuge und Sportwagen mit großer Reichweite. Unsere aktuelle HPC-Technologie für bis zu 500 kW Ladeleistung ermöglicht das Nachladen einer Reichweite von 100 Kilometern in drei bis fünf Minuten – und das ist noch lange nicht das Ende der Fahnenstange. Wir forschen gerade an Technologien, die noch deutlich mehr Energie zur Verfügung stellen können, etwa für große Nutzfahrzeuge.

UPDATE: Thema Nutzfahrzeuge, was kommt da aus unserer Richtung?

Heinemann: Wir haben ja eine eigene Forschungsabteilung, unsere Vorentwicklung. Hier wurde schon die HPC-Technologie entwickelt, heute ein Standardprodukt. Die 500 kW Ladeleistung, die in dem Ladestecker fließen, entsprechen der Anschlussleistung moderner Industriegebäude. Wir haben das Produkt so sicher gemacht, dass man diese enorme elektrische Power bedenkenlos jedem Autofahrer in die Hand geben kann. Noch vor Kurzem völlig unvorstellbar.

Wir sprechen heute vom Megawatt-Stecker oder HPC CV

In der Vorentwicklung sprechen wir mittlerweile von einem Vielfachen von HPC – also mehreren Megawatt Leistung, die wir in ein Stecksystem für schwere Nutzfahrzeuge integrieren. Wir sprechen heute vom Megawatt-Stecker oder HPC CV. Das CV steht dabei für Commercial Vehicles, also Nutzfahrzeuge. Da betreiben wir wirklich reine Grundlagenforschung. Wir haben uns sogar die Testumgebung für diese Steckverbindungen selbst konstruiert, weil es so etwas noch nicht gibt. Grundlagen, Technologien, Werkstoffkunde und die Testsysteme – all das muss von uns entwickelt werden.

Auch die Batterietechnologie wird sich noch stärker weiterentwickeln und wandeln. Es werden bereits Batterietechnologien entwickelt, die ein Vielfaches der Leistung von heute speichern können. Da haben wir durch unsere Vernetzung immer das Ohr an der Schiene. Der Batterie gehört also ganz klar die Zukunft. Und wenn sie kleiner, aber ihre Leistungsdichte noch höher wird, dann wird die Ladetechnologie noch zentraler in ihrer Bedeutung für die Mobilität.

UPDATE: Beeindruckende Zahlen, enormes Wachstum. Wo wird das enden? Wir gehen entschlossen den Schritt hin zu einem zentralen Lieferanten des Automobilsektors. Gleichzeitig sind wir mit unseren Produkten Technologieführer. Überflügelt Phoenix Contact E-Mobility perspektivisch seine Mutter?

Heinemann: Unser Wachstumsplan läuft auf einen hohen dreistelligen Millionenbetrag hin. Das ist deutlich mehr als einige andere Einheiten der Phoenix Contact-Gruppe. Und das ist ein Szenario der nächsten vier Jahre. Davor darf man keine Angst haben.

Döhre: Man kann das auch als spannende Herausforderung sehen. Das muss ja nicht nur technisch gestemmt werden, das sind auch organisatorische und inhaltliche Quantensprünge, die unser ganzes Unternehmen bewältigen muss. Allein für den im Aufbau befindlichen neuen Standort in Polen muss unter anderem ein neues ERP-System aus dem Boden gestampft werden. Das muss bis Jahresende fertig sein. Neben solchen profanen Dingen wie der förmlichen Firmengründung muss das Führungsteam gebildet werden.

Heinemann: Letzteres haben wir nicht allein Headhuntern überlassen, sondern selbst gemacht. Qualitätsleiter, Werksleiter und Personaler – die haben wir selbst ausgesucht.

Döhre (schmunzelt): Ich muss mich grade an die Interviews mit den Bewerbern zurückerinnern. In einem Hotelzimmer, wie aus einem schlechten Film, wurden die Interviews geführt mit den zukünftigen Mitarbeitern. Und wir haben den Kandidaten zum Schluss versprochen: Wenn Du es wirst, dann laden wir Dich auch nach Deutschland ein, damit Du siehst, dass es diese Firma auch wirklich gibt und wir keine dubiose Briefkastenfirma sind. Echte Menschen, auch echte Hardware. Das haben wir dann auch gemacht. Und alle, die hier waren, waren beeindruckt und haben allesamt unterschrieben.

UPDATE: Welchen Impact hat die aktuelle Corona-Krise auf Phoenix Contact E-Mobility?

Heinemann: Natürlich spüren wir die Auswirkungen. Alle Hersteller haben ihre Produktion zurückgefahren. Aber durch Konjunkturprogramme, die insbesondere klimaverträgliche Lösungen unterstützen, erfahren die Elektrofahrzeuge einen enormen Boom. Also rechnen wir mit einem gewaltigen Schub, der durch die momentane Krise eher noch beschleunigt wird.

Döhre: Deswegen agieren wir zwar immer noch vorsichtig. Aber wir bleiben wachsam am Markt und versetzen uns in die Lage, jederzeit bei einem Anspringen des Marktes loslegen zu können.

Heinemann: Wir sind gut gerüstet. Auch große Aufträge, die spontan kommen, werden uns nicht aus der Bahn werfen. Genau solche Situationen fordern uns, reizen uns. Genau dafür haben wir uns gut aufgestellt, nicht zuletzt durch unser Engagement in Polen, getragen durch ein super motiviertes und kompetentes Team.

Den ersten Teil des Interviews mit der Perspektive „E-Mobility goes East“ finden Sie hier …
E-Mobility goes East

Mehr Infos:
Die Mobilitäts-Manufaktur
Die Zukunft von E heißt HPC
E-Mobility Deutschland vs. USA

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