E-Mobility goes East

Die Elektromobilität erfährt in den nächsten Jahren einen gewaltigen Auftrieb. Sie wird nicht nur das tägliche Straßenbild verändern, sondern auch das gewohnte Kräfteverhältnis in der Industrie, gerade bei den Schwergewichten der Branche. Neue Player drängen auf die Bühne!

Phoenix Contacts erfolgreiche E-Mobility-Tochter überrascht nicht nur mit immer neuen Technologien und Innovationen. Sondern auch mit einer Expansion in Sachen Fertigung und Logistik. Schon zum Jahreswechsel 2020/2021 soll das neue Werk im polnischen Wissenschafts- und Technologiepark Rzeszów-Dworzysko fertiggestellt sein.

Was bedeutet das für das Unternehmen, für die Branche und welche Themen werden die Diskussion der nächsten Jahre bestimmen? Ein Interview mit den beiden Geschäftsführern der Phoenix Contact E-Mobility, Michael Heinemann und Ralf Döhre, sowie dem Geschäftsführer des neuen polnischen Werkes, Marwin Achenbach.

UPDATE: Herr Heinemann, Herr Döhre, Herr Achenbach, was treibt Phoenix Contact E-Mobility nach Polen? Was machen wir dort, und warum machen wir es?

Heinemann: Wir befinden uns mit unserem Geschäftsbereich in einem sehr dynamischen Markt. Wir haben Wachstumsraten im oberen zweistelligen Bereich. Das Volumen, welches wir produzieren müssen, können wir in unserem angestammten Werk in Schieder allein gar nicht mehr bewerkstelligen. Wir brauchen also dringend Erweiterungen unserer Produktionsmöglichkeiten, durchaus verteilt auch auf mehrere Standorte. Wir haben uns daher für ein neues Werk in Polen entschieden, um diese Herausforderung zu meistern.

UPDATE: Und welche Aufgaben haben Sie, Herr Achenbach, dort inne?

Achenbach: Momentan habe ich zwei Funktionen: Zum einen bin ich der Geschäftsführer für die neue polnische Gesellschaft, die wir gegründet haben. Außerdem nehme ich seit Februar 2020 als Hauptaufgabe die kaufmännische Leitung der E-Mobility GmbH hier in Schieder wahr. Bei Phoenix Contact bin ich seit 2006 und war zuletzt kaufmännischer Leiter der Power Supplies GmbH in Paderborn. Die eigene Gesellschaft in Polen unterstreicht die Ernsthaftigkeit und Anstrengung, mit der wir unserem enormen Zuwachs begegnen wollen.

Fertigung in Schieder

Döhre: Der Standort ist ja nicht ums Eck. Der Hauptfokus liegt beim neuen Standort auf der Produktion. Es werden vor allem gering automatisierte Produkte dort gefertigt, also hohe Fertigungsanteile mit viel Manpower. Davon ist derzeit ein großer Teil unserer Produktpalette betroffen, es lässt sich eben nicht alles automatisieren. Und wir erfahren dramatische Anstiege der Stückzahlen.

Das bekommen wir hier in Schieder allein von der Fläche gar nicht unter, obwohl wir hier ja auch permanent erweitern. In Polen haben wir nun ein Grundstück gekauft und lassen dort ein Gebäude für uns errichten, welches wir dann anmieten. Der Standort und die Region bieten genug qualifizierte Arbeitskräfte für unsere arbeitsintensiven Produkte, und das Grundstück ausreichend Fläche für eventuell zukünftige Erweiterungen.

UPDATE: Welchen Umfang soll das neue Vorhaben in Polen haben? Von welcher Größenordnung reden wir?

Döhre: Wir bauen 14.000 Quadratmeter für Produktion und Logistik, also zwei Fußballfelder. Dazu kommen noch einmal etwa 1.000 Quadratmeter für Büros und Sozialräume.

UPDATE: Wie viele Mitarbeiter sind am neuen Standort in Planung?

Achenbach: Bis 2023 benötigen wir einen Mitarbeiterstamm von mehr als 250 Personen. Starten werden wir mit knapp 70 Mitarbeitern. Wir werden ein eigenes Managementteam aufbauen, die ersten neuen Kollegen sind auch bereits eingestellt, darunter ist auch ein Werksleiter. Und wir haben in Rzeszów auch eine eigene Personalabteilung, deren Aufgabe die Gewinnung von Mitarbeitern sein wird. Dazu kommen Industrial Engineering und Qualitätskontrolle, damit ist unser Team vor Ort dann gut aufgestellt.

UPDATE: Wo befindet sich der neue Standort genau? Ein Schwerpunkt der automobilen Fertigung in Polen ist ja momentan in Posen, etwa drei Autostunden von Berlin entfernt.

Döhre: Posen wäre gerade mal Halbzeit. Der neue Standort Rzeszów ist dann noch einmal weitere 6 Fahrstunden entfernt. Der befindet sich rund 100 Kilometer vor der ukrainischen Grenze. Die Stadt Rzeszów ist eine dynamische, aufstrebende Stadt mit Universitäten und einer Vielzahl etablierter Industrieunternehmen. Die Region wird auch Aviation Valley genannt, da in dieser Gegend viele Luftfahrtunternehmen angesiedelt sind.

UPDATE: Wie verteilen sich die Aufgaben zwischen dem neuen Standort und der Fertigung hier in Schieder? Besteht der Plan, dass perspektivisch nur noch in Polen gefertigt wird?

Heinemann: Nein, überhaupt nicht. Wir werden hier in Schieder weiterhin unser Leitwerk haben. Hier sind wir nah an der Entwicklung, nah an allen anderen Prozessen der Produktentstehung. Wir haben die kurzen Wege zwischen Entwicklung und Fertigung schätzen gelernt und wollen das auch nicht verlieren. Das ist für uns ein wesentlicher Bestandteil unseres Selbstverständnisses.

Döhre: Wie wichtig dieser Gedanke eines Leitwerkes ist, erfahren wir gerade jetzt durch einen Großauftrag eines Automobilherstellers. Die dafür nötigen Maschinen, die Prozesse, der Anlauf einer Produktion – da gehen Personenmonate hinein. Ein großer Teil unserer Experten vom Industrial Engineering ist jeden Tag damit beschäftigt, mit den Facharbeitern, dem Projektmanagement und dem Qualitätsmanagement diese Grundlagen auf die Beine zu stellen. Solch eine Aufgabe ist an einem anderen Standort als hier, in unserer Zentrale, unserem Leitwerk, gar nicht zu stemmen. Je komplexer ein Produkt ist, je höher der Automatisierungsgrad in der Fertigung sein kann, desto sinnvoller wird es, das Produkt hier in Deutschland zu fertigen. Nur so kann man auf Änderungen in Ablauf oder Technologie wirklich schnell reagieren.

Die Anlage, die wir jetzt aufbauen, produziert alle 30 Sekunden eine Fahrzeug-Ladedose. So eine Anlage kann auch aus wirtschaftlicher Sicht sehr gut in Deutschland stehen. Das werden wir in naher Zukunft noch mehr erleben. Diese Automatisierung treiben wir mit Nachdruck voran, auch bei Produkten, die bisher noch manuell gefertigt werden. Das macht auch aus logistischen Gründen Sinn, denn unsere großen Kunden aus der Automobilindustrie sitzen eben vor allem in Deutschland.

Produkte, die sehr viel Wertschöpfung erfahren müssen, die in großer Varianz angeboten werden, an denen etwa schwere Kabel hängen, wo die Fertigung nicht automatisierbar ist oder wo die Volumina nicht so hoch sind – das sind auch perspektivisch die Produkte, die von Hand gefertigt werden müssen. Diese Fertigung wird in Polen stattfinden.

UPDATE: Also wird auch der HPC-Ladestecker, also unser technologisches Flaggschiff, in Polen gefertigt werden?

Döhre: Das wäre denkbar. Wobei es beim flüssiggekühlten HPC-Stecker die Sonderstellung gibt, dass diese Fertigung extrem anspruchsvoll ist. Hier haben wir sehr lange Anlernzeiten von Mitarbeitern und brauchen ein hohes Maß an Kompetenz – das werden wir individuell entscheiden müssen.

UPDATE: Mit welchen Produkten starten wir denn definitiv in Polen?

Döhre: Mit dem, was heute schon bei Phoenix Contact Wielkopolska in Nowy Tomyśl gefertigt wird. Also vor allem die AC-Ladekabel sowie die ungekühlten DC-Ladekabel. Diese Verlagerung findet zuerst statt. Das hat auf Deutschland zunächst überhaupt keinen Einfluss. Erst mit einer Steigerung der Volumina wird hier eine Veränderung in Richtung Automatisierung spürbar werden. Dann übernimmt die polnische Fertigung auch Aufträge, die bisher hier in Schieder abgewickelt werden.

UPDATE: Hat denn Phoenix Contact Wielkopolska bisher schon bei der Produktion unterstützt?

Döhre: Wenn wir das Thema Fertigung betrachten, dann haben die Kollegen in Nowy Tomyśl in den letzten 18 Monaten einen grandiosen Job für uns gemacht. Sie haben Flächen geschaffen, Mitarbeiter zur Verfügung gestellt, auch Führungskräfte. So konnten wir unsere Kapazitäten in Nowy Tomyśl schnell aufbauen. Parallel dazu sind wir aber auch in Schieder enorm gewachsen und haben nicht zuletzt im Mai weitere 5000 m2 Fläche bezogen. Sowohl in unserer Fertigung in Schieder als auch beim Schwesterunternehmen in Polen: Alle packen fleißig mit an – das ist großartig zu sehen.

Gerade Anfang des Jahres wurde ein schon in der Abwicklung befindlicher Großauftrag aus der Automobilindustrie auf einmal um das Dreifache erweitert. Da mussten wir schnell reagieren und haben in wenigen Tagen etliche neue Mitarbeiter engagiert. Das haben die Kollegen in Schieder und Nowy Tomyśl wirklich bravourös gemeistert. Perspektivisch brauchen wir aber ein Werk, welches eine Zertifizierung nach dem Automobilstandard IATF 16949 aufweist und kurzfristig enormes Wachstum erlaubt.

Achenbach: Es werden allerdings übergreifende Funktionen in Nowy Tomyśl bleiben, die bauen wir nicht parallel auf. Finanzen, Buchhaltung, Personalmanagement – das wird von den etablierten Strukturen in Nowy Tomyśl weiter betreut, im engen Teamwork mit dem neuen Werk in Rzeszów.

UPDATE: Welche Kunden und Märkte werden durch das neue Werk zukünftig abgedeckt?

Döhre: Zusammen mit dem Werk in Schieder bedient das neue Werk im Wesentlichen den europäischen Markt mit all seinen Ladeinfrastruktur- und Automobilherstellern. Für den asiatischen Markt haben wir bereits einen Standort in China, in Nanjing. Der agiert „local for local“, also konzentriert sich auf die Anforderungen dort. Für den europäischen Massenmarkt wird Polen der Standort sein, während das technologische Herz hier am Standort Schieder schlägt. Der amerikanische Markt wird perspektivisch sowohl von Polen als auch aus China heraus bedient.

UPDATE: Sind langfristig weitere Standorte oder Werke im Ausland geplant?

Döhre: Wir haben hier am deutschen Standort bis jetzt knapp 6.500 Quadratmeter Fertigungsfläche und Lager. In Polen planen wir mit den 15.000 Quadratmetern jetzt schon so groß, dass das Werk genügend Platz für Wachstum hat. Zudem besitzen wir dort noch große Erweiterungsflächen, die Reserve sind. Wir können dort noch einmal 12.000 Quadratmeter anbauen. Damit ist unsere Planung, erst einmal, fertig.

Ein Team, das sich versteht

Heinemann: Wir sind hier in Schieder in Kürze voll ausgelastet. Aber auch Polen wird, wenn unsere Prognosen eintreffen, über einen längeren Zeitraum voll ausgelastet sein. Doch mit der Reserve sind wir zukunftssicher.

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