1920er Jahre – Der erste Kunde

Nachgefragt

Stephan Volgmann ist Geschäftsführer der Phoenix ­Contact ­Deutschland GmbH. Und damit für den Heimatmarkt des internationalen ­Industriekonzerns verantwortlich. Also auch für „seinen“ allerersten Kunden.

Stephan Volgmann, Geschäftsführer Phoenix Contact Deutschland GmbH

UPDATE: Herr Volgmann, von welcher Größenordnung sprechen wir, wenn es um Fahrdrahtarmaturen geht, wie sie Phönix anno 1923 vertrieben hat?
Man kann sagen, dass etwa alle 20 Meter eine Fahrdrahtklemme nötig ist, um die stromführenden Drähte aufzuhängen und zu isolieren. Auf einen Kilometer kommen also rund 50 Klemmen. Bei rund 1.500 Kilometern, die das Streckennetz der Straßenbahnen im damaligen Ruhrgebiet umfasste, kommt man auf gute 75.000 Armaturen. Also ein gefragter Artikel und eine gute Grundlage, um ein Geschäft zu starten und Marktanteile zu erobern.

UPDATE: Was machte das Ruhrgebiet anno 1923 so spannend für Gründer wie Hugo Knümann?
Das Ruhrgebiet war damals der „Place to be“. Kohle und Stahl waren die Säulen der Industrialisierung, dazu ein enormer Zuzug von Arbeitskräften, auch aus dem Ausland. Leicht war der Start aber sicher nicht, denn die Ruhrgebietsbesetzung durch die Franzosen 1923 erstickte zunächst fast jede wirtschaftliche Aktivität. Aber nach dessen Ende und der ersten Währungsreform startete die Wirtschaft richtig durch. Eine Goldgräberstimmung, wie wir sie in der heutigen Zeit vielleicht mit der Situation nach dem Fall des Eisernen Vorhangs Anfang der 90er-Jahre vergleichen können.

UPDATE: Welche Bedeutung hat der erste Kunde aus heutiger Sicht?
Die Anfänge der Essener Straßenbahnbetriebe sind ganz eng verknüpft mit den Kraftwerken und ihrer Technologie. Das 1898 gegründete Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk RWE mit ihrer Keimzelle des Kraftwerks in Essen hatte die frisch gebauten Straßenbahnen als erste Großkunden. Die brauchten seit ihrer Gründung 1893 jede Menge Energie, um vor allem die Arbeiter von Berg- und Stahlbau vom Wohnort an den Arbeitsplatz zu bringen.
Man kann also sagen, dass uns unser erster Kunde gleich auch die technologischen Gene Stromversorgung, Kraftwerkstechnologie, Elektrifizierung und Elektromobilität mit auf den Weg gegeben hat. Und denen sind wir die vergangenen hundert Jahre treu geblieben.

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