Bernhard Tillmanns hat eine Vision. Er will die Gebäude der Zukunft verändern. Will sie flexibel machen. Wandlungsfähig. Updatefähig. Und zwar schon heute!
Rohbau in verschiedenen Fertigstellungsstufen, kahler Beton, Kabelstränge und Lüftungsanlagen. Ortsbesuch im neuen Betriebsgebäude 38 im Blomberger Hauptquartier von Phoenix Contact. Genau die richtige Kulisse für ein Gespräch mit einem Experten für Gebäudeautomation.
Bernhard Tillmanns wirkt wie jemand, der genau weiß, was er will. Gelassen und souverän stellt er sich neugierigen Fragen zu seinem Aufgabengebiet, erzählt mit sonorer Stimme von seinem Werdegang. Der es in sich hat, denn der heutige Director Global Industry Management Building Technology hatte bereits ein erfolgreiches Berufsleben hinter sich, bevor er sich daran machte, die Welt der Gebäudeautomation aus den Angeln zu heben.
Im ersten beruflichen Leben ist der Mann vom Niederrhein zunächst ein erfolgreicher Firmengründer. Bereits ein Jahr nach seiner Ausbildung zum Elektrotechniker machte er sich selbstständig und war 17 Jahre lang Chef eines Unternehmens mit bis zu 50 Mitarbeitern. „Das Leben war meine Uni“, beschreibt er nicht ohne Stolz seinen beruflichen Werdegang.
Schwerpunkte dieser Firma war die Entwicklung von Software-Plattformen, Energiemanagementsystemen in und für Gebäuden und Security Solutions. Was deutlich macht, dass Tillmanns keinen klassischen Hintergrund als Gebäudeautomatisierer hat, sondern seine berufliche Heimat eigentlich die Welt der IT ist.
Schon im Rahmen dieser Tätigkeiten gab es erste Kontakte zu Phoenix Contact. Pikanterweise zunächst im konkurrierenden Umfeld. Später wurde daraus eine Zusammenarbeit, denn die Produkte aus Ostwestfalen überzeugten den Geschäftsmann.
Ein technologischer Flirt mit beruflichen Folgen. Aus der Begeisterung am Produkt wurde Tillmanns auf das Unternehmen selbst aufmerksam. Und Mitte 2015 wagte der langjährige Unternehmer dann tatsächlich den Schritt ins Unternehmen Phoenix Contact. Mit dem Ziel, das Thema Building Automation zu einer Erfolgsstory zu machen. Natürlich waren die Produkte der Gebäudetechnik schon länger wohl bekannt. „Die Aussage der Geschäftsleitung aber war“, erinnert er sich, „dass Phoenix Contact keinen reinen Gebäudeautomatisierer brauche, der das bestehende Geschäft nur weiterentwickeln solle, sondern jemanden, der in der Lage sei, eine technologische und unternehmerische Strategie für neue Trendthemen der Gebäudeautomation zu entwickeln.“ Die richtige Herausforderung für den langjährigen Unternehmer.
„Die Platzhirsche im Gebäudemarkt waren damals ganz andere“, erzählt der 54jährige Manager. „Aber wir hatten ein As im Ärmel. Im Oktober 2015 hat Phoenix Contact die Dresdner Firma SysMik übernommen. Deren Gründer und Chef, Dr. Gert-Ulrich Vack, hatte das Startup 1990 gegründet und zu einer kleinen, aber feinen Edelschmiede im Bereich der Gebäudeautomation gemacht.
Der in Dresden entwickelte Modular Controller „ILC 2050 BI“ setzt in seiner offenen Systemstruktur auf einem Software-Framework auf, welches zwar im Ausland sehr bekannt ist. Für Tillmanns ein Glücksfall: „Im deutschsprachigen Bereich kannte das aber kaum jemand. Und für mich als Mensch aus dem IT-Business war sofort klar, dass hier die Kombination aus IT und Gebäudeautomation möglich ist, die sich freimacht vom klassische Komponentendenken und Raum schafft für neue Betrachtungsweisen.“
Tillmanns und sein Team legten los. „Recht frühzeitig haben ein Kollege und ich den Namen „Emalytics“ erfunden, der klar machen sollte, dass wir einen Plattform-orientierten Ansatz verfolgen. Damit haben wir nicht nur den Gebäudemarkt, sondern auch unsere direkten Marktbegleiter komplett überrascht“, verrät er mit einem verschmitzten Lächeln.
Geduldig erklärt der IT-Experte die Unterschiede: „Die klassische Gebäudeautomation arbeitet mit speicherprogrammierbaren Steuerungen (SPS). Man will etwa eine Lüftungsanlage automatisieren. Wie die Automation arbeiten soll, legt man in einer funktionalen Beschreibung fest. Die setzt dann ein Applikationsingenieur in einer passenden Programmiersprache auf und wandelt (kompiliert) sie dann in einen für die Steuerung lesbaren Code um. Will man die Funktion der Lüftungsanlage verändern, muss der Programmierer wieder tätig werden und den Code verändern und danach auf die SPS kompilieren. In der Zeit steht die betroffene Anlage still. Sprich – der Aufwand ist relativ groß und damit teuer. Kein Wunder, dass eine fertig gestellte Gebäudeautomation ein recht starres Gebilde ist, an das kaum ein Betreiber Hand anlegen möchte.“
Beim Lesen der Zeilen ahnt man, wo der innovative Branchenkenner ansetzt: „Im Unterschied dazu ist bei Emalytics jede Automationsstation Teil eines Netzwerkes. Alle Funktionsprozesse sind in einer Softwareplattform dargestellt. Damit entfallen diese kompilierten und somit starren Programme.
Emalytics arbeitet so, dass man die Regelanweisungen des Automationsprozesses virtualisieren kann, sie verändern und dann mittels eines Softwareupdates auf die Infrastruktur ausrollen kann. Nachdem ich das erkannt habe, habe ich gemerkt: Das ist ja wie IT-Business, das kenne ich doch. Daher steht bei unserem Ansatz die Software, also Emalytics, deutlich mehr im Vordergrund.“
Wer sich beim Leser dieser Zeilen an Disruptoren wie Elon Musk von Tesla erinnert fühlt, liegt nicht falsch. „Wir haben Applikationsbibliotheken mit Visualisierungselementen erstellt, die in digitalen Zwillingen von Versorgungsprozessen in der Cloud münden. So können wir zu einer automatisierten Betriebsgütenüberwachung von Versorgungs- und Komfortprozessen beitragen, was uns von den klassisch agierenden Marktbegleitern deutlich unterscheidet. Auf einmal ist das Gebäude wesentlich flexibler handhabbar, kann neue Funktionen ohne große bauliche Veränderungen „lernen“ und neue Elemente in die übergeordnete Steuerungssoftware Emalytics integrieren. Das Gebäude wird update-fähig.“
Bernhard Tillmanns war sich bewusst, dass diese neue Betrachtungsweise samt der neuen Möglichkeiten nicht automatisch zum wirtschaftlichen Selbstläufer werden würden. „Systemintegratoren sind unsere Kunden. Diese Experten stehen zwischen Investor, Architekt und letztlich dem Betreiber. Sie nehmen die Anforderungen auf, übersetzen sie ins technisch Machbare und sorgen für die Realisierung. Und die sind in der Regel gut ausgelastet. Mit unserer neuen Denke werden aber auch neue Fähigkeiten und Kenntnisse auf ihrer Seite nötig. Da muss geschult werden, da müssen Bedenken ausgeräumt und Argumente verstärkt werden. Wir greifen ja tief in die eingeübte Struktur des Bauwesens mit Investor, Architekt, ausführenden Unternehmen und letztlich den Betreibern ein.“
Mittlerweile hat Phoenix Contact eine ganze Mannschaft mit Projektleitern, Applikationsingenieuren und Field Service Engineers aufgebaut, um sich in jeder Phase einer Umsetzung genau auf die Bedürfnisse der Kunden einzustellen. Mit Erfolg: „Wir haben uns auf erste Leuchtturmprojekte fokussiert, um diese neue Denkweise von Gebäudeautomation auch demonstrieren zu können. Dazu mussten wir die Investor- und Planerebene überzeugen, um die langfristigen Vorteile der offenen Systemarchitektur deutlich zu machen. Wir haben Workshops mit Investoren, Architekten und Fachplanern durchgeführt, mit ihnen die passenden Gebäudesystemdesigns erarbeitet.
„Unsere“ Gebäude sind eben keine starren Hüllen mit nahezu unveränderlichen Funktionen. Es sind lebendige, wandlungsfähige Gebäude, die lernen und sich verändern können. Und so über ihre vorgesehene Nutzungsdauer auch deutlich Kosten einsparen. Gebäude als IT-Projekte begreifen und behandeln – das ist unser Ansatz. Building IOT bedeutet, dass Gebäude komplett updatefähig werden. Dass sie damit natürlich auch im immer wichtigeren Bereich Security stets sicher aufgestellt sind.
Wer Bernhard Tillmanns zuhört, spürt die Begeisterung für das Thema und ahnt das Potential: „Wir reden mit unseren Gebäuden und hören ihnen zu. Und damit heben wir das Thema Gebäudeautomation auf ein ganz neues Level.“
Phoenix Contact Gebäudeautomation
Der Disruptor – Veränderung im Facility Management
Das schlaueste Gebäude in 200 km Umkreis