Sonnenanbeter

Das neue Wahrzeichen von Blomberg hat einen Durchmesser von 12 Metern, wiegt 200 Tonnen und thront direkt vor der Zufahrt zum Firmengelände von ­Phoenix ­Contact. Der mächtige Solar-Tracker signalisiert sofort, dass es hier um die Zukunft geht. Doch er ist nicht der einzige solare Energieübersetzer im All Electric Society Park …

Maren Gast hat die Sonne eingefangen. Na ja, sie hat dabei mitgeholfen. Denn die Ingenieurin ist Spezialistin, wenn es darum geht, unserem Himmelsgestirn die reichlich vorhandene Energie abzuluchsen. Die Sonne: 1,5 Trillionen Kilowattstunden bringt sie im Jahr auf die Erde. In weniger als einer Stunde könnte sie unseren weltweiten Jahresbedarf an Energie decken.

Maren Gast

Die gebürtige Hamelnerin ist durch und durch Expertin, wenn es darum geht, diese Energie nutzbar zu machen. Schon vor dem Studium ­begleitete sie die Faszination für diese Form der regenerativen Energie. „Meine ersten beruflichen Schritte habe ich als Chemielaborantin im Bereich der Halbleiter für Solar­energie absolviert, bevor ich an der Hoch­schule für ­angewandte Wissenschaft und Kunst in Hildesheim technische Physik studiert habe.” Zwei ­Jahre in der Weiterentwicklung von Photovoltaik­modulen folgten, bevor sie 2012 ins Industriemanagement Solar Power bei ­Phoenix ­Contact wechselte.

Der Sonne folgen

Wer nicht nur auf den großen Solar-Tracker und seine kleinere 8-Meter-Variante direkt nebenan im Bereich der ­E-Mobility schaut, der entdeckt schnell etliche weitere ­PV-Module. „Wir haben hier insgesamt 550 Solarmodule an Wänden, Dächern, in den Cubes, auf Carports und in Form von Solarpflastern auf Gehwegen verbaut. Insgesamt erzielen wir mit allen Elementen eine Bruttoleistung von 155 kWp“, erzählt die Fachfrau für solare Energien. „Der besondere Hingucker sind natürlich die beiden Solar-Tracker.“ Wie dynamisch die Planung des All Electric Society Parks verlief, verrät diese kleine Anekdote: „Anfangs sollten nur ein paar Solarmodule im Besucherpavillon integriert werden. Doch wir hatten 2021 ein großes Meeting in Dubai, wo diese drehbaren Gebilde im Einsatz waren. Und dort wurde dann die Idee geboren, diese Kraftwerke auch hier zu installieren.“

Im Gegensatz zu herkömmlichen, unbeweglichen Solaranlagen folgt der Tracker den ganzen Tag über der Sonne, wodurch der Ertrag an gewonnener Energie bis zu 45 Prozent gesteigert wird. Maren Gast erklärt eine weitere Besonderheit: „Die 24 PV-Module, die auf dem riesigen Stahlkonstrukt montiert sind, sind ­bifazial ausgelegt. Das bedeutet, dass sie sowohl auf ihrer Vorder- als auch auf der Rückseite lichtaktiv sind. So wird auch das von der Konstruktion zurückgeworfene Licht aufgefangen. Und das erhöht den Wirkungsgrad zusätzlich, 16,3 kWp sind möglich”, weiß die 46-Jährige.

Ein Blick ins Innere des Solartrackers

Ursprünglich war geplant, den gewonnenen Strom aus dem großen Solar-Tracker erst im 20 Meter entfernten Solar-Cube umzuwandeln. Aus Sicherheitsgründen wurde sich dagegen entschieden: „Eine 1000-V-Gleichstromleitung unter eine öffentliche Straße zu verlegen erschien dann doch zu gewagt. Stattdessen haben wir jetzt einen Wechselrichter direkt im Fuß des Trackers verbaut.“
Stichpunkt Straße: „Wir mussten den großen Tracker tatsächlich auf ein massives und erhöhtes Betonfundament stellen, denn da der Kreisel samt Tracker am Fuß eines Hügels errichtet wurde, wollte man verhindern, dass bei einem Bremsenversagen Lkw direkt in die Anlage rauschen.“

Solar zum Treten

Viel weniger Sicherheitsvorkehrungen bedurfte die Installation der 200 kleinen Module, auf denen man herumtreten kann. „Unser Solarpflaster ist eine Innovation der Firma Platio. Natürlich ist die aufgeraute, aber rutschsichere Oberfläche nicht so energieergiebig wie eine aufgeständerte Anlage auf Dächern oder unsere Tracker. Doch die Idee, die ansonsten ungenutzte Fläche von Gehwegen in Energieanlagen zu verwandeln, ist einfach bestechend. Und die hier erzeugten 4,1 kWp sind ja auch nicht so schlecht,“ zwinkert Maren Gast.

Wesentlich ergiebiger sind die 180 Fassadenmodule, die den Besucherpavillon zu einem Energielieferanten machen. „Senkrechte Module an der Fassade sorgen auch hier für die energetische Nutzung von Flächen, die im Gebäude ansonsten kaum Funktionalität haben. Insgesamt erzielen wir hier eine Ausbeute von rund 51 kWp.“ Die Ingenieurin wirft einen Blick auf die benachbarten Produktionshallen. „­Fassaden sind vor allem bei Industriegebäuden eine noch sehr wenig entdeckte Energiefläche.“

Standard ist natürlich die solarenergetische Nutzung von Dachflächen. „Ganz zu Beginn war geplant, die Dächer der Cubes mit Klimaanlagen zu bestücken. Doch das Konzept wurde im Lauf der rasanten Planung komplett geändert. So standen diese Flächen zur Verfügung. Und auch die Carports über den E-Mobility-Ladesäulen waren anfangs gar nicht vorgesehen. Um zu zeigen, wo überall die Energie der Sonne angezapft werden kann, sind sie heute ebenfalls wichtige Vorzeigeflächen.“

32 Wechselrichter sind im All Electric Society Park installiert, um aus dem gewonnenen Gleichstrom netzkompatiblen Wechselstrom zu machen. Wird er nicht direkt verbraucht oder in einem der Energiespeicher bevorratet, dann fließt der Strom in einen der zwei zertifizierten Einspeiseregler, die den Park ans öffentliche Stromnetz anschließen. „Diese Einspeiseregler sind ein Highlight unserer Produktentwicklung bei Phoenix Contact, denn dank ihrer Zertifizierung nehmen sie den Fachfirmen, die den Auftrag haben, größere dezentrale Anlagen ab 135 kWp an die Netze anzuschließen, einen enormen Aufwand ab. Normalerweise müssen die nämlich alle einzeln aufwendige Genehmigungs- und Prüfverfahren im Rahmen ihrer Inbetriebnahme durchlaufen.“

Um derart vielfältige Energieflüsse, wie sie im All Electric Society Park realisiert wurden, zu monitoren und zu steuern, arbeiteten die einzelnen Spezialisten-Teams intensiv zusammen. „Eine der größten Herausforderungen lag in der Auswertung der großen Menge an Daten, die hier durch die vielfältigen Möglichkeiten der Energiegewinnung zustande kommen. Dafür haben wir erstmalig einen MQTT-Broker eingesetzt“, berichtet Gast. Der MQTT-Broker ist ein Server, der als Vermittler zwischen den einzelnen Geräten agiert. „Damit das Netzwerk nicht durch zu viele verschiedene Programmiersprachen ausgebremst oder überlastet wird, hat man sich auf die Variante der MQTT-Schnittstelle geeinigt.“ Diese Art der Kommunikation erleichtert die Datenkommunikation zwischen den einzelnen Teilnehmern. „Das war auch für uns Neuland. Im Alltag arbeiten wir natürlich an Lösungen in unseren jeweiligen Spezialbereichen. Durch die Verzahnung so vieler Technologien und Fachbereiche mussten wir komplett interdisziplinär arbeiten und Lösungen entwickeln. Auch wir haben dabei eine steile Lernkurve absolviert“, erzählt Maren Gast.

Spielerisch begreifen

Zu kompliziert? Im All Electric Society Park sollen nicht nur Techniker und Ingenieure angesprochen werden. Damit das komplexe Thema der Stromeinspeisung verständlich wird, wurde ein Spiel entwickelt, das die Zusammenhänge verständlich darstellt. Im Solar-Cube können die Besucherinnen und Besucher die Funktion des Einspeisereglers übernehmen und dafür sorgen, dass das Stromnetz stabil bleibt. Über die sechs im Boden verbauten Trittflächen kann man durch gezieltes Be- und Entlasten die Frequenz verändern und dafür sorgen, dass der Solarstrom netzkonform eingespeist wird.

Maren Gast ist sich sicher: „Das Thema ­Solarenergie wird in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen. Der Einsatz von Solarenergie im All Electric Society Park in ­Blomberg zeigt, was mit Technologien von heute bereits jetzt möglich ist. „Viele Unternehmen und auch Privat­personen wollen ihren CO2-Fußabdruck in Zukunft weiter reduzieren. Der Park ist dafür ein Aushängeschild. Und die Lernkurve, die wir im Projekt durchlaufen haben, ­können wir auch auf zukünftige Kundenprojekte ­anwenden.“ 

Der All Electric Society Park
Phoenix Contact Solar

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