Porträt – Die Grande Dame

Die einen nannten sie Tante Ulla und stibitzten Überraschungseier beim wochenendlichen Besuch. Die anderen standen auf, wenn ihre Stimme aus dem Fernsprecher erklang. Ursula Lampmann war mehr als sechs Jahrzehnte eine der prägendsten Persönlichkeiten von Phoenix Contact.

Ursula Lampmann

Als die Phönix Elektrizitätsgesellschaft 1923 das Licht der Welt erblickt, ist Ursula Lampmann zarte drei Jahre alt. Die Tochter des Prokuristen einer Maschinenfabrik wächst wohlbehütet im Essener Norden auf. Der Kontakt der Absolventin der Höheren Handelsschule zu einem kleinen Betrieb am Essener Hauptbahnhof, der Phönix Elektro- und Industrie-Bedarfsgesellschaft, kommt über eine Schulfreundin zustande.

Rasante Karriere

1937 startet Ursula Lampmann in dem „Betriebchen“, wie sie es in einem späteren Interview schmunzelnd nennt. Die Reihenklemme von Hugo ­Knümann ist mittlerweile in Fachkreisen ein Begriff. Man spricht von der RWE-­Phönix-Klemme. Die Bestandteile werden von Spezialisten bezogen, die Keramik etwa von der Firma Hermsdorf Schomburg Isolatoren-Gesellschaft (HASCHO) aus Thüringen, die Messingteile von der Firma Weisser aus dem Schwarzwald. Montiert wird dann in den Arkaden unter dem Essener Hauptbahnhof.

Erster Firmensitz in den Arkaden des Essener Hauptbahnhofs

„Von Anfang an“, erinnert sich Ursula Lampmann später, „genoss ich das volle Vertrauen von Hugo Knümann. Schon bald war ich für die Kasse verantwortlich.“ Sechs Jahre später bekommt die junge Frau Prokura. Ein ungewöhnlicher Vertrauensbeweis, musste sich die „normale“ deutsche Ehefrau doch sogar die schriftliche Erlaubnis ihres Manns einholen, um überhaupt arbeiten zu dürfen.

Harte Zeiten

Im Zweiten Weltkrieg wird Essen, eines der Zentren der deutschen Schwer- und Rüstungsindustrie, stark bombardiert. Das trifft auch die Phönix Elektrizitäts­gesellschaft, die daraufhin nach Ostwestfalen umzieht. Während das Unternehmen in einer ­ehemaligen Gaststätte unterkommt, wohnt ­Ursula ­Lampmann in einem Zimmer bei der Familie des späteren Bürgermeisters Heinrich ­Fritzemeier.

„Schon in dieser schwierigen Zeit sorgte Ursula Lampmann dafür, dass das Unternehmen liquide blieb“, würdigt die langjährige Unternehmenssprecherin Angela ­Josephs die Verdienste Ursula Lampmanns. „Das war nicht trivial, denn das Kriegsgeschehen beeinträchtigte auch den Liefer- und Zahlungsverkehr erheblich. Da musste sich eine junge Prokuristin richtig durchsetzen.“

Der Krieg ist 1945 vorbei. Großkunden wie RWE, Siemens und Braun ­Boveri nehmen ihre Geschäfte im Ruhrgebiet wieder auf. Also geht es für die Essener Exilanten 1948 zurück in die Heimat. In Blomberg bleiben Montage und Versand.

Hugo Knümann und Josef Eisert

1949 lernt Firmenchef Knümann den Ingenieur Josef Eisert kennen. Knümann und Ursula Lampmann besuchen den ­Inhaber vieler Patente in dessen Domizil im Schwarzwald. Aus dem Kontakt wird eine feste Zusammenarbeit.

Mit dem Tod von Hugo Knümann 1953 ändert sich in dem Handelsunternehmen alles. Ursula Lampmann erbt 20 Prozent der Firmenanteile und wird nach Josef Eisert zur zweitgrößten Anteils­eignerin.

Radikale Veränderungen

Ursula Lampmann mit den Gesellschaftern Scherrbacher, Sillib und Eisert

Mit Josef Eisert wird ein Ingenieur zum Firmenchef, der das Unternehmen neu ausrichtet. Die eigene Fertigung rückt in den Vordergrund. Nach mehreren Versuchen, in Essen einen Produktionsstandort zu entwickeln, steht fest: Der Standort Blomberg wird ausgebaut. Ursula Lampmann hält das Geld zusammen und achtet darauf, dass der technikverliebte Eisert keine zu großen finanziellen Wagnisse eingeht. Komplett bremsen kann sie den Visionär allerdings nicht. So ist sie zwar dabei, als sich Josef Eisert in die Schweiz aufmacht, um die allerersten Maschinen für die Fertigung anzuschaffen. Doch statt nur einer erwirbt Eisert gleich vier Maschinen. „Herr Eisert, ­wovon sollen wir das denn bezahlen?“
Ursula Lampmann bleibt auch in den nächsten Jahrzehnten das Korrektiv und festigt den Grundsatz, nur aus Eigenmitteln neues Wachstum zu finanzieren.

Zum zweiten Mal Blomberg

Die stillen Gesellschafter Scherrbacher und Sillib mit Ursula Lampmann

Die Firma wächst rasant, der Standort Blomberg wird zügig ausgebaut. Die Trennung von Verwaltung in Essen und Produktion in Ostwestfalen wird zum Hindernis.
Man ahnt, wie schwer der erneute Umzug nach Blomberg der überzeugten Großstädterin fällt. Aber 1967 geht es zum zweiten Mal nach Ostwestfalen. Die Firma wird endgültig zur Lebensaufgabe der kinderlosen, unverheirateten Essenerin. Ihr Wohnhaus liegt neben dem der Familie Eisert. Im Privaten ist die energische Respektsperson Ursula Lampmann die „Tante Ulla“, die stets begehrte Anlaufstelle des Eisert‘schen Nachwuchses auf der Suche nach Süßigkeiten.

Während Ursula Lampmann im privaten Umfeld eine charmante, humorige und zugewandte Persönlichkeit ist, stehen die Ingenieure im Unternehmen beim Telefonat sogar auf, wenn ihre Stimme aus dem Telefon schallt und sie nach Produktkalkulationen fragt.

1975 stirbt Josef Eisert, sein Sohn Klaus ist zum Nachfolger bestimmt. Mit ihm erlebt Ursula Lampmann den dritten Firmenlenker. Und ein noch rasanteres Firmenwachstum mit immer neuen Tochtergesellschaften im Ausland. Doch dem Credo der Liquidität und finanziellen Unabhängigkeit bleiben Unternehmen und Firmenleitung unter dem Einfluss von Ursula Lampmann treu.

1995, nach 58 Jahren im Unternehmen, scheidet Ursula Lampmann aus ihrer aktiven Rolle bei Phoenix Contact aus. Als Gesellschafterin verfolgt sie die Geschicke des Unternehmens allerdings aktiv weiter. Im Juni 2015, mit 94 Jahren, verstirbt Ursula Lampmann in Blomberg.

Die Aufgaben, die Ursula Lampmann im Laufe der Jahrzehnte wahrnahm, werden in den folgenden Jahren auf verschiedene Abteilungen verteilt. Die Position, die die gebürtige Essenerin im Unternehmen innehatte, war und bleibt daher einzigartig.

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