Porträt – Der Gründer

Hugo Knümann war eine schillernde Persönlichkeit in einer dramatischen Zeit. Er erlebte zwei Weltkriege, den Wechsel von Kaiser zu Republik, die Machtergreifung der Nationalsozialisten und die Gründung der Bundesrepublik. Und er legte den Grundstein für eine zunächst kleine Unternehmung, die allen Stürmen trotzte und heute auf hundert sehr erfolgreiche Jahre zurückblicken kann.

Noch heute gibt es in Essen ein Möbelhaus, das den Namen Knümann trägt. Aus dieser Familie stammt der 1884 geborene Hugo ­Knümann. Wer sich mit dem ­Gründer des heutigen Unternehmens Phoenix Contact beschäftigt, der stößt schnell auf einige Fragezeichen in seiner Vita. Was angesichts der bewegten Zeiten, in denen er aktiv war, nicht verwundert.

Ein Platz an der Sonne

Unstrittig ist das Geburtsdatum von Hugo ­Knümann. Am 28. Januar 1884 wurde der Spross einer Möbeldynastie in ­Essen geboren. Mitten hinein in eine Zeit der epochalen Veränderungen. Der Nationalstaat Deutschland war noch jung, Otto von Bismarck war Reichskanzler, Wilhelm I deutscher Kaiser. Die Monarchie strebte nach Kolonialbesitz und Machtzuwachs und forderte für den jungen Nationalstaat einen „Platz an der Sonne“.

Essen in den 1920er Jahren

1890 begann die schulische Laufbahn Hugo Knümanns in der Volksschule Essen. Man kann davon ausgehen, dass er seinem vier Jahre älteren Bruder Otto auch auf die Oberrealschule Essen folgte. Unstrittig ist die darauf folgende Ausbildung zum Kaufmann, die der junge Knümann wohl in Pforzheim bei einem Juwelier absolvierte. Die Stadt galt als Hochburg der Goldschmiedekunst. Wie lange und in welcher Art und Weise Hugo Knümann in der süddeutschen Region tätig war, lässt sich nicht mehr rekonstruieren.
Kennzeichnend für die Zeit war ein nahezu grenzenloser Glaube an die technologische Entwicklung. Zahlreiche Erfindungen und Patente stellten die tradierten Wertschöpfungsketten auf den Kopf. Gerade Deutschland galt in dieser Phase als führender Standort für schlaue Köpfe und war offen für neue Technologien. Das wiederum hatte ­Auswirkungen auch auf die Machtverhältnisse in der konstitutionellen Monarchie. Das Bürgertum erstarkte, die adlige Oberschicht kapselte sich immer mehr von der ­Realität ab.

Katastrophe Weltkrieg

Der überhitzte Nationalismus und instabile innenpolitische Verhältnisse führten auf dem Pulverfass des europäischen Kontinents mit seinen ungelösten Konflikten zur Katastrophe des Ersten Weltkriegs. Zum Zeitpunkt des Ausbruchs des Kriegs 1914 war Hugo Knümann 30 Jahre alt und damit im wehrfähigen Alter. Ob er eingezogen wurde oder sein später dokumentiertes Asthmaleiden ihn vor den Schlachtfeldern Europas bewahrte, ist nicht bekannt.

Mehr als zwei Millionen deutsche Soldaten starben im Ersten Weltkrieg, rund 800.000 Zivilisten verhungerten. Deutschland kapitulierte 1918, die Monarchie endete. Kurz nach dem Krieg begann eine politisch zunächst sehr unruhige Phase mit Soldaten- und Arbeiterräten, bevor sich die Weimarer Republik bildete.

Unternehmenswert 300 Pfund Butter oder 2 Rinder

Bereits 1921 und 1922 finden sich erste Spuren eines vom Kaufmann Hugo ­Knümann angestrebten Handelsunternehmens, bevor die Phönix Elektro- und Industrie-Bedarfsgesellschaft 1923 während der französischen Ruhrbesetzung das Geschäft aufnahm. Die auf den ersten Blick stattlich erscheinenden 30.000 Reichsmark Gründungskapital hatten zur Zeit der beginnenden Hyperinflation einen Gegenwert von etwa 300 Pfund Butter oder zwei Rindern.

Zunächst begann Hugo Knümann sein Wirken mit dem Vertrieb von Fahrdrahtarmaturen für Straßenbahnen. Denn allen politischen Wirren zum Trotz setzte das Ruhrgebiet seine Dynamik des wirtschaftlichen Motors Deutschlands fort. Die Elektrifizierung der Straßenbahnen war auch in Essen ein Ausdruck der Prosperität.

Das Ohr am Kunden

Klemmenblock aus Modulen

Seine Kontakte zum Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerk RWE und sein Produktportfolio führten wenige Jahre später zu einem entscheidenden Kundenbesuch. Einer der leitenden Ingenieure, Heinz Müller, klagte dem technikorientierten Kaufmann sein Leid beim Hantieren mit den damals üblichen einteiligen, 10-poligen Keramik-Stromklemmen, die aufwändig herzustellen, empfindlich zu handhaben und schwierig zu reparieren waren. Knümann witterte seine Chance und setzte sich mit dem freien Ingenieur Stuhldreher zusammen. Die Idee der modularen, anreihbaren Stromklemme auf einer ­Hutschiene entstand.

Erster Firmensitz von 1923 bis 1944 in Essen, Hollestr. 36

Knümann sicherte sich das Patent auf diese Erfindung und begann, die Fertigung der Komponenten zu organisieren. Zusammengesetzt wurden die innovativen Keramik- und Messingelemente am Firmenstandort unter den Arkaden am Essener Hauptbahnhof. Die Zentrale von RWE war zu Fuß in wenigen Schritten erreichbar, Knümann und seine kleine Firma also mitten im Geschehen.

RWE-Klemme von 1928, erste modulare Reihenklemme mit Keramikgehäuse

Die kurzen Jahre der Weimarer ­Republik und der jungen Demokratie ­waren von Aufbruch, aber auch politischen Unsicherheiten geprägt. Die kurze Phase relativer Ruhe nach der Währungsreform von 1923 wurde durch die Weltwirtschaftskrise ab 1929 wieder beendet. Die Industrieproduktion ging um mehr als 43 Prozent zurück. Auch die junge und kleine Phönix Bedarfsgesellschaft musste kurzzeitig Konkurs anmelden, erholte sich dann aber wieder. Der Bedarf an Reihenklemmen aus der bescheidenen Montage sicherte dem damals 44-jährigen Kaufmann das wirtschaftliche Weiterkommen.

Technologisch entwickelte sich die erste Reihenklemme in dieser Zeit kaum weiter, denn Knümann war kein ­Techniker, der sein Patent vorantrieb, sondern Kaufmann. Mittlerweile gab es vier Varianten, die sich aber nur in der Anzahl der anklemmbaren Leitungen unterschieden. Doch für Kraftwerker war die Klemme ein Meilenstein.

Ursula Lampmann

Ebenfalls ein Meilenstein wird die Einstellung einer jungen Dame namens Ursula Lampmann im Jahr 1937, die die Geschicke des jungen Unternehmens jahrzehntelang entscheidend prägen sollte. Schnell wurde die Tochter aus gutem Hause für Hugo ­Knümann zu einer unverzichtbaren Stütze, schon sechs Jahre nach Einstellung erhält die junge Ursula Lampmann Prokura.

Doppelte Provinz

1939 bricht der Zweite Weltkrieg aus. 1943 wird Essen bombardiert. Hugo Knümann erfährt durch einen Verwandten von der Möglichkeit, im 200 Kilometer entfernten ländlichen Ostwestfalen weiter zu produzieren. Also geht es nach Blomberg „ins Exil“. Nach wie vor gelingt es Hugo Knümann, die Einzelteile seiner Klemmen zu organisieren. Angesichts der sich immer mehr verschärfenden Versorgungskrise eine kleine Meisterleistung.

Bürgerheim Blomberg

Nach Kriegsende verlässt die Familie Knümann samt ihrer kaufmännischen Angestellten Blomberg und kehrt nach Essen zurück. Lager und Montage bleiben in Ostwestfalen. Knümann ist schon zu dieser Zeit schwer von seinem Asthmaleiden gezeichnet. Über einen Patentanwalt lernt er 1949 Josef Eisert kennen und besucht den angesehenen Siemens-Ingenieur auch in dessen Domizil im Schwarzwald. Es gelingt dem schwerkranken Knümann, Josef Eisert für eine Zusammenarbeit zu gewinnen.

Visionäre Nachfolgeregelung

Da Hugo Knümann zwar verheiratet, aber kinderlos war, ordnete er bereits in den frühen 1950er-Jahren seinen Nachlass. Und das mit viel Weitsicht. Einer seiner Jugendfreunde, August Scherrbacher, erhielt 15 Prozent der Anteile an der kleinen Firma. Der befreundete Otto Sillib sowie der langjährige Lieferant der metallenen Komponenten, ­Wilhelm Weisser, erhielten jeweils zehn Prozent der Firmenanteile. ­Ursula Lampmann wurde mit 20 Prozent beteiligt. Der junge Klaus Eisert bekam 15 und Josef Eisert mit 30 Prozent den bestimmenden Anteil. Von einer Zersplitterung der Besitzverhältnisse konnte aber keine Rede sein, denn die Anteile von Scherrbacher, Sillib, Weisser und auch von Ursula Lampmann galten nur zu deren Lebzeiten. Sie waren nicht vererbbar, sondern fielen nach dem Tod an den Haupteigner Josef Eisert. Neben den Eiserts war nur Ursula ­Lampmann im Betrieb aktiv.

Emilie Knümann stirbt bereits 1951. Zwei Jahre später, am 14. Juni 1953, verstirbt ihr Ehemann, der „ehrbare Kaufmann“ Hugo Knümann, wie es in einem Nachruf stand, mit 69 ­Jahren in seiner Heimatstadt Essen. Seine kleine Firma dagegen startete erst jetzt richtig durch …

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