Die Zukunft von E heißt HPC

Elektromobilität ist ein alter Hut. Schon die allerersten motorisierten Vehikel hatten einen E-Motor. Problem damals wie heute: Wie bekomme ich möglichst schnell möglichst viel Energie in die mobilen Energiespeicher? Gute 140 Jahre später sind wir bedeutende Schritte weiter.

Die Fertigung des Hightech-Steckers verlangt Sorgfalt und Erfahrung

Bereits 1881 stellte der Franzose M. Gustave Trouvé sein aufsehenerregendes Dreirad vor. 12 Stundenkilometer schnell und einer Postkutsche ziemlich ähnlich. Mit einer Reichweite von etwa 14 Kilometern war das Fahrzeug annähernd alltagstauglich, denn damals war die Konkurrenz auf der Langstrecke nur das Pferd.

Werner Siemens, Andreas Flocken, Ferdinand Porsche – die Liste der E-Pioniere ist lang und enthält verblüffende Namen. Zwischen 1896 und 1939 gab es weltweit 565 verschiedene Marken von Elektroautos. In New York lag der Anteil an E-Fahrzeugen 1901 bei 50 Prozent (der Rest waren Dampfkraftwagen oder Naphta-, Acetylen- oder pressluftgetriebene Gefährte). Selbst Henry Ford entwickelte einen Ford Model T mit Elektromotor, der allerdings nicht in Serie ging. Was dann folgte, waren annähernd 100 Jahre elektromobiler Dornröschenschlaf.

Die Wiederbelebung des E

Erst um 2010 nahm das Thema wieder Fahrt auf. Bei Phoenix Contact ging es dabei zunächst „nur“ um einzelne Bauteile. Schon früh gab es Anwendungen wie schwere Steckverbindungen für Wechselakkus, die noch heute in chinesischen Bussen ihren Dienst tun – Quality made by Phoenix Contact :-).

Doch schnell wurde die Forderung nach schnelleren Ladezeiten auch für Pkw lauter. Dazu gab es auch bei Phoenix Contact erste Vorentwicklungen. Einer, der fast von Beginn an dabei war, ist der Entwickler Dirk Moseke, der schildert, wie die nächsten Schritte verliefen:

Warm ja, heiß nein

Dirk Moseke im Gespräch

„In der Entwicklung standen natürlich auch Lastenhefte und Normen. Es gab aber nichts. Und das ist erst zwei Jahre her! Also mussten wir selber entwickeln. Was müssen wir machen, um aus dem schon bestehenden CCS-Standard mit dem definierten Steckgesicht etwas ganz anderes herauszukriegen? 200 Ampere waren kein Problem, aber jetzt waren 300 Ampere und mehr verlangt. Heute sind wir bei 500 Ampere.

Im Gebäude würde vor dem Zugang zu solchen Stromstärken ein gelbes Schild angebracht sein mit dem Hinweis „Zutritt verboten“. Und hier sollen wir die Anlagen frei zugänglich in Verkehr bringen, der Witterung und möglichen Missbräuchen ausgesetzt.

Der erste Punkt war die Entwicklung von geeigneten Kabeln. Bei solchen Strömen gibt es nur zwei Möglichkeiten: größere Kabelquerschnitte oder eine deutliche Erwärmung.
Das Kabel darf aber nicht zu dick werden, denn sonst wird es zu schwer und steif. Also haben wir uns dem Thema der Wärmeentwicklung gewidmet.

Zunächst galt festzustellen, wo die Wärme eigentlich entsteht. Tatsächlich ist es die Leitung selbst, die warm wird. Die Wärme kann aber auch aus dem Fahrzeug kommen, also von einer Stelle, die wir gar nicht beeinflussen können.
Der nächste Gedanke galt der Kühlung. Der erste Versuch war, mit Flüssigkeit zu kühlen. Also das Kupfer direkt mit einem wärmeableitenden Medium zu umspülen. Eine ölbasierte Lösung haben wir verworfen, denn die Handhabung war viel zu aufwendig. Und alles andere als innovativ.

Forschung im Strickzimmer

Dann haben wir es mit Luft versucht. Dazu haben wir Luft in Schläuche gepustet, in denen die heißen Kabel lagen. Die Luft musste aber irgendwo hin und trat dann im Stecker wieder aus. Außerdem nimmt Luft die Wärme gar nicht so schnell auf. Wenig bedienerfreundlich und nicht effektiv genug, also nicht praktikabel.
Also doch wieder flüssig – wir haben mit alternativen Kühlmitteln weitergeforscht und sind schließlich beim leicht handhabbaren und umweltverträglichen Glykol gelandet. Das ist vor allem dann ideal, wenn es um die Befüllung oder Reparatur der Kühlanlage geht, also im harten Alltag einer Ladesäule. Zusätzlich haben wir Wärmeleitpaste im Kabel eingesetzt. Das hat sogar ziemlich gut funktioniert, war aber nicht tauglich für die Serienproduktion.

Inzwischen hatten wir auch festgestellt, dass es sinnvoll ist, die Oberfläche so groß wie möglich zu machen. Mehr Oberfläche bedeutet bessere Wärmeableitung. Also haben wir Versuche mit vielen Einzellitzen gefahren. Das sah hier teilweise aus wie in einem Strickzimmer, mit Schrumpfschläuchen, Kabelbindern und Klebeband. Grundlagenforschung wie man sie sonst nur an einer Hochschule vorfinden kann.

Heute haben wir ein Kabel, das zweimal zwei 25 mm2 Kupferleitungen führt. Zwei für Plus, zwei für Minus. Das sorgt für ein nicht zu schweres und schön flexibles Kabel. In den Außenmantel haben wir eine Schicht eingebaut, die zeigt, wann das Kabel verschlissen oder beschädigt ist. Kommt rote Farbe zum Vorschein, muss der Service aktiv werden. Außerdem darf das Kabel, da man es umfassen kann, nicht heißer als 60 Grad werden – so will es die Norm. Das wird im Kabel mit Sensoren überwacht und ist mit einer Abschalteinrichtung gekoppelt. Dazu laufen noch Kommunikationsadern durch das Kabel, die der Stecker in Kombination mit der Säule und dem Fahrzeug benötigt.
Die weiche Seite des High Power Charging war also geschafft.

Die harte Schale

Die nächste Herausforderung war der Stecker selbst. Zunächst gab es sogar die Anforderung, dass wir die Inlets, also die Einsteckeinheit am Fahrzeug, über das Kabel mit kühlen sollten. Das geht aber nicht. Das würde einem Kühlschrank ähneln, der über seine geöffnete Tür das Bier vor dem Fernseher kühlt.
Also haben wir einen Kühlkörper entwickelt, der zunächst aus einem gedrehten Kupferrohr bestand, welches umgossen wurde und an das die Schläuche angeschlossen wurden. Das funktionierte auch, war aber wieder in der Herstellung viel zu aufwendig.
Aber wir hatten mit unserer Tochtergesellschaft Protiq noch ein As im Ärmel. Die haben gemeinsam mit uns einen idealen Kühlkörper entwickelt und realisiert. Heute haben wir einen Kühlkörper, der einen Isolationskörper umschließt. So kühlen wir bis in die Kontakte.

Entwicklung im Testlabor


Alle Dichtstellen mussten schon für die Tests am Prototypen perfekt sein. 13 oder 14 Dichtstellen, teils in heiklen Materialzusammensetzungen und sofort auch versehen mit Leckagesensoren. Wir haben diverse Materialien im eigenen Testlabor getestet, vor allem auf ihre Leitfähigkeit. Es geht schließlich um enorme Stromstärken und die nötige Sicherheit für den Bediener. Wussten Sie, dass in vielen Kunststoffen Graphit enthalten ist? Ein paar Prozent zu viel, und schon leitet das Material. So eine Leitfähigkeit teilt einem natürlich kein Hersteller mit. Also mussten wir immer wieder ausprobieren. Ein enormer Aufwand.

Wir messen und überwachen heute die Temperatur an den heißesten Punkten der Übertragung, direkt vorn an den Kontakten. So schützen wir unser Gesamtsystem vor äußeren Einflüssen, etwa von der Fahrzeugseite her.

Das ist momentan das innovativste System der gesamten E-Mobilität. Die Echtzeittemperaturmessung haben wir patentieren lassen.

Es gibt ein Verriegelungssystem, welches beim Laden das Starten des Fahrzeugs unterbindet. Wird der Stecker fallen gelassen und beschädigt, muss er nicht komplett getauscht werden. Wir haben den Rahmen des Steckgesichts auswechselbar gestaltet. Das macht die Wartung kostengünstig und flexibel.

Verriegelung beim Ladevorgang

Gefühlt wie Elon Musk

Dann haben wir in Zusammenarbeit mit unserem Werkzeugbau die Vorserienwerkzeuge entwickelt. Teilweise haben wir uns an Technologien gewagt, die für uns ganz neu waren, etwa das Ultraschallverschweißen der Kupferkabel mit den Kontakten oder das Vergießen des Gleichstromkontaktbereichs.

Der Aufbau dieser Produktion der hochkomplexen Bauteile ist nach wie vor eine Herausforderung, denn die Nachfrage ist … stürmisch. In der Vorserie brauchte ein Stecker zwei Tage Fertigung. Wie bei einer Manufaktur. Mittlerweile sind wir bei echter Serienfertigung.

Welche Dynamik die Entwicklung der E-Mobilität genommen hat, zeigte sich nach der Präsentation unserer ersten Muster Anfang 2018. Die Kunden haben zeitweise einfach bestellt, ohne sich überhaupt nach dem Preis zu erkundigen. Da haben wir uns manchmal wie Elon Musk gefühlt, der ja auch Blanko-Bestellungen für seine Tesla eingesammelt hat.

Entwicklung ohne Ende

Ende 2018 hatten wir den Serienanlauf unserer HPC-Stecker. Zeitgleich entwickeln wir Lösungen für die internationalen Märkte, wo teilweise ganz andere Normen vorherrschen. 500 Ampere sind in Sachen Leistung heute erst einmal zukunftssicher. Aber wir arbeiten natürlich ständig weiter an Optimierungen.

Es ist eben mehr als einfach nur ein Stecker. Da steckt so viel Intelligenz drin, die den Umgang wirklich sicher macht. Und Themen wie Fernwartung, Ladekabelführung – wir sind da mit den Ladesäulenherstellern im dauernden Austausch. Die Aufgaben gehen uns also nicht aus.“

https://www.phoenixcontact-emobility.com/de/

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