Die Lichtbogenbändiger

Zieh doch mal den Stecker! In der Welt der Wechselspannung ein oft gehörter Rat, wenn elektrische Verbraucher ein allzu ungeregeltes Eigenleben entwickeln. In Gleichstromnetzen eine ganz schlechte Idee, die in fatalen Unfällen enden kann. Bis jetzt …

Entwickler bis zur Serienreife: Dat Tri-Trinh und Marc Klimpel

„Trennen unter Last – das wird es nicht geben.“ Diese Aussage aus Gleichstrom-Forschungskreisen hat Marc Klimpel, seines Zeichens Entwicklungsingenieur bei Phoenix Contact, im Ohr, wenn es um den Ursprung der Idee des innovativen Gleichstromsteckers „ArcZero“ geht. „Jahrzehntelang hat man an dieser Sichtweise festgehalten“, erzählt er. „Trennvorgänge waren nur nach vorheriger Abschaltung des Stroms möglich“. Denn beim ungesicherten Trennen von Gleichstromverbindungen entsteht ein Lichtbogen. Das passiert beim Wechselstrom zwar auch, doch da hier permanent die Fließrichtung des Stroms umkehrt, ist dieser extrem kurz auftauchende Lichtbogen kaum sichtbar und vor allem ohne Auswirkungen. Das ist beim Gleichstrom ganz anders, denn hier will der Einbahnstraßen-Elektronenstrom an seiner Verbindung nicht lassen und überbrückt bei Trennversuchen auch längere Distanzen per Lichtbogen. Der kann mehrere tausend Grad heiß brennen. Was weder dem Bediener noch dem Material, welches getrennt werden soll, zu Sicherheit und Langlebigkeit verhilft.

Frust durch Verlust

Deshalb galt bis vor kurzem: Trennvorgänge sind nur nach vorheriger Abschaltung der gesamten Anlage möglich. Damit waren Gleichstromnetze in Sachen Sicherheit und Bedienkomfort den Wechselstromnetzen hoffnungslos unterlegen. Und natürlich reduzierte dieses Vorgehen auch die Verfügbarkeit von Anlagen. Was sehr bedauert wurde und zu zahlreichen Forschungsaktivitäten führte. Denn zum einen entsteht bei der Gewinnung von Strom aus regenerativen Quellen zunächst Gleichstrom. Und auch die meisten Verbraucher wollen mit ihm betrieben werden. Doch die allgemeine Netzstruktur besteht aus Wechselstromnetzen, die sicherer sind und für den Transport über längere Strecken wesentlich geeigneter. Also wird der Strom auf seinem Weg von seiner Erzeugung bis zum Verbrauch in Akku, Display oder Platine transformiert. Dabei geht ein Teil der Energie in Form von Wärme verloren.

Marc Klimpel

Wollte man Gleichstrom direkt nutzen, wurde die Steckverbindung üblicherweise mit einer Verriegelung gesichert. Erst nach Abschalten der Anlage konnte die Verbindung getrennt werden. Im Vergleich zur Steckverbindung im Wechselstrom wenig anwenderfreundlich. Daher wird seit 2018 bei Phoenix Contact an einem anderen Weg geforscht. Zurückgegriffen wurden von Marc Klimpel auf einen schon bestehenden Stecker, der aufgrund seiner Robustheit auch für den Außenbereich geeignet ist. Mit der Expertise aus der Vorentwicklung und intensiven Laborversuchen im Team wurde dem etablierten Steckverbinder ein Leben in Gleichstromnetzen antrainiert.

Löschung des Lichtbogens

Der lange Atem in Sachen Entwicklung trägt innovative Früchte: Ende 2023 wurde der Gleichstromstecker „ArcZero“ vorgestellt. Wie sein Name schon sagt, hält er den Lichtbogen (engl. electric arc) in Schach, genauer „auf null“ (engl. zero). Der Trick: Eine kleine Platine im Inneren des ArcZeros überwacht den Status der Stromverbindung. Zieht man am Stecker, so erwacht die Platine schlagartig zum Leben, zieht ihre Energie aus den ersten Funken des entstehenden Lichtbogens und löscht diesen innerhalb von Millisekunden.

Entwickler Marc Klimpel schildert die Herausforderungen bei der Entwicklung: „Für uns in der BU war es neu, Elektronik im Steckverbinder zu haben. Dazu noch eine aktive Elektronik, die für diese Spannungen ausgelegt ist – auch das war Neuland.“ Die hohe Qualität unterstreichen auch eine Witterungsbeständigkeit bis IP69 und eine Schlagfestigket von IK08.

Dat Tri-Trinh

Der ArcZero-Stecker bekommt deshalb eine 100-Prozent-Kontrolle. Klimpels Kollege Dat-Tri Trinh begleitet den ArcZero durch seine Laborzyklen aus der Vorserienentwicklung. Er hat den Prototypen also quasi vom Entwicklungsstatus zum Serienzustand begleitet. Er erklärt: „Jeder Stecker wird vor Auslieferung händisch auf einem speziell ausgestatteten Prüftisch elektrisch geprüft. Das bedeutet: Alle Stecker, die rausgehen, sind von Hand geprüft, markiert – und zu 100 Prozent sicher. Kein Ausschussteil verlässt die Fertigung, da wird hart kontrolliert.“ Das sorgt für die Sicherheit und Langlebigkeit, die der ArcZero-Stecker verspricht. Klimpel und Trinh sind sich sicher: „Wir geben ihn erstmal für 500 Steckzyklen an, er kann aber sicherlich deutlich mehr“ sind sich die beiden Entwickler einig.

Durchhaltevermögen belohnt

Das richtige Produkt zur richtigen Zeit, denn Gleichstrom ist ein echtes Boom-Thema. Und der ArcZero ein Meilenstein in der Entwicklung von Gleichstromtechnologie, der auch in der Branche gewürdigt wird. Der innovative Stecker wurde unter anderem von Elektronik.net, dem Webdienst der WEKA-Fachmedien, zum Elektronik-Produkt des Jahres 2024 gewählt.

ArcZero von Phoenix Contact

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