Weißt Du noch, damals 2019?

Wie beurteilen wir in 20 Jahren die heutige Entwicklung der Mobilität? Wie erklären wir unseren Enkeln Begriffe wie Stau, Zapfpistole, Feinstaub oder Auspuff?
Ein visionärer Blick in die Vergangenheit, zurück auf das Jahr 2019 …

Dirk Kunde, noch im Jahr 2019

Wer sich heute im gesetzteren Alter mit jungen Menschen umgibt, der merkt am ehesten, mit welcher Rasanz sich unsere Welt in technologischer Hinsicht verändert. Wer mit Worten wie „Wählscheibe“, „Kassettenrekorder“ oder „Plattenspieler“ um die Ecke kommt, erntet bei der Jugend nur noch fragende Blicke.
Das Thema Mobilität unterliegt einem dramatischen Wandel, der erst in den letzten Jahren so richtig Fahrt aufgenommen hat. Wo geht die Reise hin? Was bewegt die Menschen anno 2040? Um das herauszubekommen, unternehmen wir eine kleine Zeitreise. Wenigstens gedanklich. Aber mit Expertise. Unser Begleiter: Dirk Kunde. Der Hamburger Journalist ist mittendrin in der „neuen Mobilität“. Urban, ohne eigenes Auto, ständig unterwegs, always online, vernetzt bis hin zu Elon Musk.
Lauschen wir also dem Gespräch 2040 und den Erinnerungen an das Jahr 2019 …

UPDATE: Dirk, wie lebt es sich heute, anno 2040, in Deiner Heimatstadt Hamburg?

Herrlich. So wie vor 20 Jahren. Zwar ist Hamburg noch ein wenig gewachsen, zählt jetzt drei Millionen Einwohner. Doch Hamburg ist stets die Perle an der Elbe geblieben.

UPDATE: Drei Millionen Einwohner: Was bedeutet das für die Mobilität in der Stadt?

Smog? Anno 2040 unbekannt

Verkehr ist nach wie vor eine Herausforderung unserer Gesellschaft. Stau gibt es immer. Man sitzt halt gern im persönlichen Umfeld. Und der Kokon des Vehikels schafft für einige Minuten am Tag ein wenig Privatsphäre. Parkplätze sind genauso knapp wie vor 20 Jahren. Gott sei Dank fahren wir autonom. Da suchen sich unsere Vehikel den Parkplatz selber, nachdem wir ausgestiegen sind.

UPDATE: Stimmt, das hat sich wirklich radikal verändert. Ein eigenes Auto braucht kein Mensch mehr …

… aber viele haben noch eins. Heute allerdings nicht mehr als Notwendigkeit, sondern aus nostalgischen Gründen. Auch wenn die meisten natürlich emissionslos unterwegs sind. Car Sharing und öffentlichem Verkehr sei Dank. Der Innenraum moderner Pkw passt sich beim Einloggen heute so an, dass man sofort „sein“ Auto um sich hat. Das ähnelt dem Verhalten von Smartphones anno 2019. Also braucht man das eigene physische Auto nicht mehr.

UPDATE: Ja ja, die alten Schätzchen. Hast Du denn selber noch einen Diesel oder Benziner?

Nein, schon seit mehr als 20 Jahren nicht. Ich war ja einer der Ersten, die dem eigenen Auto abgeschworen haben. Und wo findet man auch heute noch Tankstellen, die fossilen Sprit anbieten?

Auspuff? Gibts nicht mehr

UPDATE: Stimmt, die sind ganz aus dem Stadtbild verschwunden.

Geladen wird ja heute fast nur noch induktiv. Weißt Du noch, wie man damals stinkigen Diesel an den Fingern hatte vom Tanken? Oder das Hantieren mit den schweren E-Kabeln?

UPDATE: Was war das für eine Diskussion vor 20 Jahren, ob sich die E-Mobilität wirklich durchsetzen wird.

Aus heutiger Sicht wirklich skurril. Da mussten viele alte Zöpfe durchschnitten werden. Die Autobauer wollten auf ihre Pfründe nicht verzichten. Immerhin dominierten ihre Industrien jahrzehntelang die Wirtschaft. Heute weiß kein junger Mensch mehr, wie schlecht die Luft in den Städten war. Erinnerst Du Dich noch an die alten Fotos von Chinas Großstädten oder auch Stuttgart? Wie hieß noch das Wort dafür … richtig – Smog.

UPDATE: Die E-Mobile hatten zunächst ja kaum Reichweite.

Stimmt, das war ein anfängliches Problem. Aber nur vorgeschoben. Heute begreifen wir Verkehr auch ganz anders. Das hat sich gewandelt, diese All-in-one-Mentalität. Heute macht das niemand mehr – mit nur einem Auto sowohl morgens zum Bäcker als auch täglich zur Arbeit und sogar in den Urlaub fahren. Wozu gibt es einen Mobilitäts-Mix, wenn doch alles mit einem Vehikel gemacht wird, das dann immer nur ein Kompromiss ist? An 350 Tagen im Jahr fährt man weniger als 20 Kilometer, leistet sich aber für die wenigen Fernfahrten ein Auto, das nur dann Sinn macht, wenn man auch fern fährt.
Damals wollte man elektrisch so fahren wie mit Benzin oder Diesel. Das macht keinen Sinn, das hat man schnell begriffen.

UPDATE: Technologisch hat sich natürlich viel getan.

Tankstelle? Heißt jetzt Ladepark

Nachdem der Schritt zur Elektrifizierung der Motoren getan war, kam ja Bewegung in die Entwicklung der Speichermedien. Das ging Hand in Hand – Umstieg auf E-Mobile und die Alternativen zur Lithium-Ionen-Technologie. Da lobe ich mir die Leichtmetall-Festkörperbatterien von heute, mit ihren enormen Energiedichten.

UPDATE: Der Nahe Osten war mal gespickt mit ultrareichen Wüstenmonarchien. Kennst Du noch die Begriffe „Petrodollar“ oder „Öl-Scheich“?

Man hat damals sogar von „fossilen Brennstoffen“ geredet. Als ob diese wertvollen Rohstoffe einfach nur zur Verbrennung getaugt hätten. Die Fixierung auf das Erdöl war eines der größten Hemmnisse bei der Weiterentwicklung globaler Wertschöpfungsketten. Strom galt damals als teurer Rohstoff. Dank unserer dezentralisierten und cleveren Energienetze ist das mittlerweile kein Problem mehr. Strom gibt es reichlich.

UPDATE: Dafür ist die Schiene vom Aussterben bedroht.

Bahnverkehr? Nur noch durch die Röhre

Das war 2019 schon absehbar. Die Schiene hat die Modernisierung nie geschafft. Der Personentransport war damals spektakulär unpünktlich. Was haben wir an Bahnhöfen rumgestanden! Und für den Gütertransport war die Schiene einfach zu unflexibel. Mit dem Durchbruch der Hyperloop-Technologie ist die Bahn heute nur noch was für Nostalgiker.

UPDATE: Apropos Hyperloop – was ist eigentlich aus Elon Musk geworden? Du hattest ja damals einige spektakuläre Interviews mit diesem innovativen Querdenker.

Ach, der Elon. Der ist im hohem Alter auf den Mars umgesiedelt, als seine SpaceX von den Chinesen übernommen worden ist. Hatte er sich vertraglich zusichern lassen, dass er unter den ersten Siedlern ist. Ich hab gehört, er hätte sich einfrieren lassen.

UPDATE: Die Autobauer hatten in den 20er Jahren einen schweren Stand. Viele standen ja kurz vor dem Aus.

Die waren zunächst „too big to fail“. Einige hat es ja dann auch hingerafft. Ich hab neulich noch alte Artikel gelesen, in denen vom „Dieselskandal“ die Rede war. Damals ein Riesenaufreger, aus heutiger Sicht der notwendige Impuls hin zu nachhaltiger Mobilität. Das hat die Lücke aufgemacht, die dann Logistiker wie Amazon und Alibaba und Internetgiganten wie Google und Apple mit eigenen Vehikeln ausgenutzt haben. Oder innovative Start-ups wie Streetscooter, die mittlerweile den Markt der leichten Nutzfahrzeuge dominieren.

UPDATE: Dirk, bitte vollende den Schlusssatz unseres Gesprächs. Mobilität ist …

… immer noch eines der bewegendsten Themen unserer Gesellschaft, doch längst befreit vom Stigma der Unvereinbarkeit von Natur und Technologie. Individuelle Mobilität ist ein hohes Gut einer freiheitlichen Gesellschaft.

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