Freunde sollt Ihr sein

Und zwar mehr als elf. Deutlich mehr. Im Wissenscluster it’s OWL sind 200 Unternehmen der Region aktiv, um als Verbund für die Heraus­forderungen der Zukunft gewappnet zu sein. Wie diese Wissensgemeinschaft funktioniert, welche Chancen sie bietet und welche Klippen zu umschiffen sind, verrät Professor Dr. Roman Dumitrescu im Interview.

Professor Dr. Roman Dumitrescu

Der sympathische Hochschullehrer ist ein versierter Experte, wenn es um Themen wie Automation, Mechatronik und Produktion geht. Was nicht verwundert, denn der promovierte Ingenieur ist einer der Direktoren des Fraunhofer Instituts IEM in Paderborn mit Schwerpunkt Mechatronik und Produktentwicklung für Intelligente Technische Systeme. Seit 2012 ist er zudem verantwortlicher Managing Director des Clusters „it’s OWL“. Und seit 2016 hat er den Lehrstuhl für „Advanced Systems Engineering“ an der Universität Paderborn inne.

UPDATE:Herr Professor Dumitrescu, was versteckt sich hinter dem Begriff it’s OWL?

Im Prinzip ist it’s OWL ein Technologienetzwerk, bestehend aus Unternehmen der Region Ostwestfalen-Lippe. Dazu kommen Forschungsinstitute und Hochschulen, die auf den ­Gebieten der intelligenten technischen Systeme aktiv sind und forschen. Das können die Unternehmen wiederum gut ­gebrauchen.

UPDATE:Lehre und Forschung der Hochschulen sowie Praxis der Unternehmen – wie passt das zusammen?

Genau das bringen wir in dem Cluster zusammen, um die ­Effekte, die Forschung und Anwendung erzeugen, ohne großen Reibungsverlust zu nutzen. Häufig ist es ja so, dass aus ­einer wissenschaftlichen Sicht heraus geforscht wird. Ob das in der Praxis eine Anwendung findet – diese Fragestellung wird zunächst nicht beachtet. Diese Denkweise versuchen wir zu verändern, versuchen unsere Studierenden und Forscher frühzeitig auch für die Anwendung zu begeistern. Denn die Praxis bereichert die Forschung enorm.

UPDATE:Warum OWL? Sind die Ostwestfalen schlauer als der Rest der Republik? Oder gibt es solche Cluster auch an anderen Standorten Deutschlands?

Es gab 2010 einen Wettbewerb der Bundesregierung. Die hat Cluster oder Regionen gesucht, um mit dem Silicon Valley mitzuhalten. Einzige Bedingungen: Es sollte Deutschland-­relevant sein, sollte regional gebündelt sein und es musste eine Spitzenregion sein aus wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Sicht. Wir haben dazu mit allen relevanten Unternehmen, u. a. auch mit Phoenix Contact, Gespräche geführt, wo sie sich in den nächsten fünf Jahren sehen, welche technischen Fragestellungen sie umtreiben und ob sie das ­alleine schaffen.

UPDATE:Wie war das Echo der Unternehmen?

Klare Antwort damals: Die Produkte werden zunehmend vernetzter, sie werden intelligenter. Und nein, sie schaffen das nicht mehr allein. Das war der Beweggrund, sich zu bewerben. Einige Firmen wie Phoenix Contact, Miele oder Claas waren von Beginn an tatkräftig dabei. Wir haben Forschungsprojekte identifiziert, von denen alle profitieren würden. Und als wir gewonnen haben, haben wir für diese Projekte dann auch Fördergelder bekommen. Das war vor fünf Jahren. Und daran arbeiten wir weiter.

UPDATE:Welche Branchen spielen in dieser Wissens- und Forschungsgemeinschaft eine Rolle?

Vor allem der Maschinen- und Anlagenbau. Unternehmen, die außerhalb ihrer Wirkungskreise kaum jemand kennt, wie Lackierstraßenhersteller, Verpackungsanlagenbauer und Fertigungsmaschinenhersteller. Hidden Champions. Ein großer Vorteil dieser wachsenden Gemeinschaft ist, dass keiner zu groß ist. Kein Branchenriese, der alles dominiert, sondern alles mittelständische, familiengeführte Unternehmen, die strategisch und langfristig denken. Diese Struktur ist sehr ausgeprägt, sehr speziell. In anderen Regionen gibt es ebenfalls mittelständische Zentren, dort sind aber meist sehr ungleiche Größen am Start.

UPDATE:Wie steht es um die ehemals führende Position Deutschlands als Wissensnation? Ist Deutschland fit für die Zukunft?

Es gibt Studien, die voraussagen, dass in 20 Jahren 98 ­Prozent der Wissenschaftler aus Asien kommen. Ich bin mir aber ­sicher, dass Deutschland auch in Zukunft sehr gute Chancen hat. Die Marke „Made in Germany“ gilt weltweit nach wie vor als Gütesiegel Nummer eins.
Bei der Digitalisierung kommt oft das Gefühl auf, dass wir hinten dran sind, weil wir nicht die Amazons, die Googles oder Apples haben. Wie führen wir die neuen Themen mit unseren traditionellen Industrien zusammen? Wir zeigen mit it’s OWL genau das. Hier macht sich eine mittelständisch geprägte ­Region auf den Weg zu einer digitalisierten Industrie.

UPDATE:Nun genießt OWL ja nicht gerade Metropolenstatus. Wie groß ist dieser Standortnachteil vor dem Hintergrund des demografischen Wandels?

Wenn alle zukünftigen Fachkräfte nur noch bei Amazon oder Google arbeiten wollen und keiner will mehr bei klassischen Unternehmen etwa in Blomberg arbeiten, dann wird’s eng (schmunzelt). Aber das sehe ich nicht. Die jungen Leute wollen nicht alle nur nach Berlin …

UPDATE:Das Thema Familienbetriebe ist eine der speziellen Eigenschaften Ostwestfalens. Stärke oder Schwäche?

Ein Riesenvorteil. Diese Unternehmen werden nicht nach Quartalszahlen geführt, sondern nach langfristigen Strategien. Wenn man bei den hiesigen Unternehmern ein Commitment hat, dann ist das Gold wert.
Die viel gescholtene konservative Grundhaltung habe ich häufig gar nicht wahrgenommen, sondern eher einen unternehmerischen Weitblick und die Bereitschaft, sich den neuen, den digitalen Herausforderungen mutig zu stellen und Neues zu wagen. Das vor dem Hintergrund, dass ja auch die Inhaber vor einem Generationswechsel stehen.

UPDATE:Gibt es hier eine Start-up-Kultur?

Na klar. Die gab es schon immer. Sonst würde es die Unternehmen ja nicht geben. Der einzige Unterschied ist, dass die jetzige Start-up-Szene viel mehr Aufmerksamkeit genießt. In OWL gibt es eben viele Hidden Champions. Heutige Start-ups wollen das Gegenteil, denn sie kämpfen ja um Investoren. Aber am Ende des Tags sollte ein Unternehmen auch einen Mehrwert haben und erfolgreich sein. Und das haben die hiesigen Unternehmen sehr gut vorgemacht. Nicht hipp sein ist das Unternehmensziel, sondern das Bestehen am Markt.

UPDATE:Welche Rolle spielt Phoenix Contact bei it’s OWL?

Phoenix Contact ist von Anfang an dabei. Das Unternehmen ist einer von 25 Kernpartnern, die sich massiv engagieren. CTO Roland Bent ist im ­Cluster-Board, seit neuestem auch stellvertretender Vorsitzender. Und ­Phoenix Contact engagiert sich von Beginn an in und mit konkreten Projekten. Und zählt damit zu einem der sichtbarsten Unternehmen von it’s OWL.

UPDATE:Viele Unternehmen vereint eigentlich eine starke Wettbewerbssituation. Wie klappt das Teamwork?

Da haben wir einen Prozess durchlaufen. Noch 2011 waren ­gemeinsame Projekte mit direkten Wettbewerbern nahezu unmöglich. Während am Anfang die Geschäftsführer wohl nur deshalb zusammensaßen, um sich gut im Auge zu behalten, hat man im Laufe der Zusammenarbeit Vertrauen aufgebaut.
Je näher man an den Markt kommt, je dichter man am ­Produkt ist, desto eher ist man natürlich Wettbewerber. Das wird und soll das Cluster aber auch nicht beeinflussen.

UPDATE:Wo steht die Industrie in zehn Jahren?

Die digitale Transformation ist wesentlich und bestimmend, aber nicht so schnell wie gefühlt. Der Mittelstand ist in OWL sehr gut positioniert. Aber er muss jetzt einsteigen. Deutsche Unternehmen kennen ihre Prozesse sehr gut, sind gut in der Performance. Sie sind gerade mit ihrem Vertrieb eng am ­Kunden, haben ein immenses Problemverständnis. ­Dieses Vertriebsnetz wird extrem wichtig sein. Vertrieb und ­Service sind eine Riesenwissensquelle, um zu verstehen, wo der ­Kundenschmerz ist. Wenn es den Unternehmen gelingt, das Wissen vom Kunden in neue Dienstleistungen zu integrieren, dann bleiben wir stark.

UPDATE:Kann der Ostwestfale denn Service?

Ja, kann er. Das kann er sogar sehr sehr gut. Der familienorientierte ostwestfälische Unternehmer hat ja sein Unternehmen aufbauend auf die Bedürfnisse seiner Kunden gegründet.

its-owl.de

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