Der erste Bienensommer am Standort Bad Pyrmont ist vorbei. Während die Bienen schon auf den ersten Ausflug im neuen Jahr warten, ziehen die menschlichen Macher des PLCnext-Teams eine erste Bilanz. Klappt der erhoffte Wissenstransfer von Biene zu Mensch?
Seit einem halben Jahr sind 100.000 neue Mitarbeiterinnen bei Phoenix Contact im Einsatz: Während die PLCnext Technology-Steuerung über sie wacht, konzentrieren sich zwei Bienenvölker oberhalb von Phoenix Contact Electronics ganz auf die Produktion von Honig. Hinter dieser neuen Zusammenarbeit auf tierischer Ebene steckt das Projekt „The Beehyve“.
An der kleinen Öffnung zum Bienenstock geht es um Leben und Tod: Eine Wespe hat den Weg hinter die bewachte Pforte gefunden. Sie will teilhaben am nahrhaften Wintervorrat der Bienen. Aber die Wächterinnen fackeln nicht lange: Sie erstechen den unerwünschten Eindringling und befördern die sterbende Wespe zurück nach draußen vor den Bienenstock – zu den anderen, die hier schon liegen.
Beim Besuch am Gebäude 50, wie die Unterkunft der beiden Bienenstöcke oberhalb des Bad Pyrmonter Standorts liebevoll getauft wurde, wird schnell klar, wie effizient und strikt die beiden Bienenvölker ihr Überleben sichern. Seit Mai sind sie hier zuhause. Seitdem meistern sie nicht nur versuchte Nahrungsdiebstähle durch Wespen, Hornissen oder fremde Bienen, sondern auch den Stress der neuen Umgebung, klimatische Herausforderungen und die Bedrohung durch die Varroamilbe.
„Sie haben es hervorragend gemacht, viel besser als zunächst angenommen,“ berichtet Katrin Kropp, Imkerin von Honigliebe Lippe. Zusammen mit ihrem Mann Oliver ist die Bienenfachfrau vom benachbarten Dörfchen Dörentrup aus für insgesamt 76 Bienenvölker zuständig. Das Imkerpaar ist fachlicher Partner des „The Beehyve“-Projekts.
Ziel dieses Projekts ist nicht etwa der Einstieg des Elektrotechnikunternehmens in die Lebensmittelproduktion. Viel mehr will das Marketing- und Kommunikationsteam der PLCnext Technology eine kreative Umsetzungsidee mit der innovativen Steuerung PLCnext Control realisieren. Der besondere Clou: Das Beehyve-Projekt findet nicht nur von und bei Phoenix Contact statt, sondern nutzt vielmehr die Schwarmintelligenz der mittlerweile weltweit agierenden PLCnext Community. Dank der offenen Schnittstellen der Steuerung arbeiten Branchenexperten unterschiedlichster Bereiche in Projekten zusammen und erzielen gemeinsam schnellere und bessere Ergebnisse, die dann für die Community insgesamt zu Verfügung stehen.
In einem der beiden Bienenstöcke wurden für das Projekt verschiedene Sensoren an eine PLCnext-Steuerung angeschlossen. Iris Trinoga, Projektleiterin bei “The Beehyve”, erklärt, welche Daten erhoben werden: “Wir messen das Gewicht des Bienenstocks. Und wir messen mit zwölf Innentemperaturfühlernhaben genau die Temperatur im Stock. Zwei Außensensoren überwachen Feuchtigkeit und Vibration. Außerdem haben wir mehrere Kameras angeschlossen, mit denen wir nicht nur optische Bilder etwa vom Eingang einfangen, sondern zum Beispiel auch Wärmebilder machen. Die Daten werden gesammelt und fließen ein in unsere Proficloud, wo wir ein spezielles Dashboard eingerichtet haben. “
Vom Arbeitsplatz aus konnte das Beehyve-Team so verfolgen, wie sich die Bienen mit der Technik arrangierten. Ein halbes Jahr nach dem Start ist klar, wie unverhofft reibungslos dies ablief: „Es ist erstaunlich: Die Bienen haben die Technik im Bienenstock toleriert und haben sich nicht stören lassen,“ berichtet Imker Oliver Kropp. Zunächst habe er seine Zweifel gehabt, wie die Tiere auf die Technik und die Funkwellen reagieren könnten. „Doch der Ertrag und die Volksstärke – daran kann die Gesundheit und Zufriedenheit eines Volkes bemessen werden – sprechen klar für sich: Die Bienen haben sich hier gut eingelebt und mit der Technik arrangiert.“ Wie bei Bienen üblich, wurde alles Unbekannte (wie die innenliegende Sensorik) mit dem bieneneigenen Harz Propolis ummantelt und bakterienfrei gehalten.
Bei der ersten Honigernte Mitte Juni, der „Frühtracht“, konnte das Imker-Paar 50 Kilo Honig entnehmen. Der hat es mittlerweile – nach einer aufwändigen Prozedur aus Schleudern, Sieben und zigfachem Rühren – in Gläser geschafft. Zur SPS-Messe Ende 2023 hat das Projekt-Team die ersten Gläser „full of data and honey“ ausgegeben. Per Scan des QR-Codes auf dem Glas kann direkt Einsicht in die Daten des Beehyve-Projektes genommn werden. So können beispielsweise das virtuelle Modell des Bienenstocks mit Echtzeitdaten, der digitale Zwilling oder auch das Dashboard mit allen Bienendaten abgerufen werden. Und natürlich hat auch Firmenpatriarch Klaus Eisert, der selbst begeisterer Imker ist und im Mai eigens zur Bienenstocktaufe kam, ein Glas dieses ersten Phoenix-Contact-Honigs erhalten.
Das Beehyve-Projekt selbst fand zum Jahresende 2023 sein Kampagnen-Ende, die Zusammenarbeit an den beiden Bienenstöcken wird dagegen weiterlaufen. Die Erkenntnisse und der Ertrag des ersten Jahres seien bereits vielversprechend gewesen, doch in 2024 sei noch mehr zu erwarten, sind sich Iris Trinoga und Katrin Kropp einig: „Wir werden in diesem Jahr das erste reguläre Bienenjahr erleben, bei dem die Völker stressfrei – also ohne Umzug und Adaption an die Technik – ihre Arbeit machen können.“ Schon jetzt sei klar, so Iris Trinoga weiter, dass sehr viel von dem, was mit Bienen zu tun habe, auch für die Industrie äußerst relevant sei. „Wir haben – schlicht und einfach – sehr viele Übertragbarkeiten gefunden.“
Auf die Frage nach ihrem Fazit muss Katrin Kropp nicht lange überlegen: „Wir als Imker haben – was die Technik anbelangt – ganz neue Einsichten erlangt. Wir fanden es sehr spannend, was man so alles messen und sehen kann.“ Gerade jetzt im Winter sei das Dashboard praktisch. Und: „Am liebsten würde ich jeden Bienenstock mit dieser Technik ausstatten.“ Den persönlichen Einsatz vor Ort ersetzt die PLCnext Technology-Steuerung nicht. Aber sie unterstützt die Imker darin, effizienter an der Betreuung der Bienen und ihrer Gesundheit zu arbeiten, zum Beispiel beim Zählen der Varroa-Milben oder bei Rückschlüssen auf drohende Schwarmabgänge und neugeborene Bienen.
Wie wird es nun weitergehen? „Es sind noch einige Wünsche übrig geblieben für 2024“, lacht Iris Trinoga. „Die Bienen bleiben.“ Eine Projektgruppe wolle zum Beispiel Daten aus dem Bienenstock mit Wetterdaten korrelieren und daraus eine Ausflugprognose für Bienen erstellen. In Zukunft könnten Landwirte dies nutzen, um ihren Düngemittelauswurf zeitlich vom Bienenflug trennen zu können. „Das hatten wir uns bereits für 2023 vorgestellt. Aber im ersten Sommer hatten wir zu viele Sondersituationen, so dass wir noch keine valida Datenbasis haben. Dennoch hat die Gruppe weitergemacht und freut sich schon aufs nahende Frühjahr und die neuen dann wieder einsetzende Zusammenarbeit mit den fleißigen Honig- und Datensammlern.“
Und auch die Blühwiese mit den beiden Bienenstöcken wird dauerhaft Bestand haben. Es ist geplant, das „Gebäude 50“ in die klassischen Werkführungen einzubauen und das Gelände zum Testfeld weiterer Teams zu machen.
Bei den zwei Bienenvölkern selbst kehrt jahreszeitlich bedingt Ruhe ein. Sie sind eingewintert und ballen sich im Bienenstock wärmend um die Brut und ihre Königin. Nur ca. 5.000 Bienen werden den Winter überdauern. Nach der Wintersonnenwende wird die Bienenkönigin beginnen, neue Eier zu legen, damit im Sommer wieder bis zu 60.000 fleißige Nektarsammlerinnen unterwegs sind und die Honigmacherinnen oberhalb von Phoenix Contact Electronics eine gesunde Süßigkeit und valide Daten daraus entstehen lassen. (Jutta Neelmeier)