Geschwindigkeit ist ihre Motivation, Täuschung ihr Metier und Wasser ihr Transportmittel – wenn diese Schweizer Tüftler ins Spiel kommen, wird es nass, schnell und mit ziemlicher Sicherheit atemberaubend.
Klarer Wasserrutschen sind ein Familienbetrieb in zweiter Generation in Hallau, einem Ort in der deutschsprachigen Schweiz. Sie widmen sich der Beschleunigung in ihrer nassesten Form, denn sie stellen Wasserrutschen her. Wer jetzt an die kleine Kinderrutsche im örtlichen Freibad denkt, liegt allerdings falsch. „Fake Slide“, „Infinity Jump“ oder „Kamikaze“ deuten an, dass Rutschen hier in einer anderen Dimension gedacht wird. Die Produkte aus Hallau sind knallbunt, haushoch und weltweit in Spaß- und Erlebnisbädern die Attraktion.
Doch der Besuch des Firmensitzes ist zunächst einmal überraschend. „Die Rutschen selber fertigen wir hier schon lange nicht mehr“, nimmt uns Tobias Beukelmann in Empfang und führt in eine überraschend kleine Produktionshalle. Von Badespaß und reißenden Wasserströmen keine Spur, die Badehose bleibt also im Handgepäck. „Hier werden unsere Rutschen geplant und die Elektrotechnik dazu hergestellt. Die Fertigung der Elemente geschieht in der Slowakei. Dort befindet sich auch die dazu nötige Schlosserei.“
Anfang mit Rodelbahnen
Der Entwicklungsleiter der E-Technik erklärt: „Das Unternehmen wurde von Armin Klarer vor über 30 Jahren gegründet. Angefangen hat er mit Rodelbahnen aus GfK. Die mussten nach der Fertigung glatt gemacht werden. Und das ist mit viel Wasser, Lappen und natürlich Rutschen passiert. Da lag es nahe, irgendwann statt auf den wattierten winterlichen Hosenboden gleich ganz auf den Spaß in Badekleidung zu setzen. Mittlerweile wird der Betrieb von Claudia und Stefan Klarer, der nachfolgenden Generation, geleitet. Und mit der zweiten Generation wurde es dann international. Anfangs haben wir die Anlagen auch hier gefertigt, doch das ist schon vor Jahren geändert worden.“
Also kein Badespaß beim Arbeiten? Tobias Beukelmann grinst: „Also, bei der Fertigung und Montage unserer Schaltschränke können wir Wasser überhaupt nicht gebrauchen. Aber bei der Entwicklung der Luftrutsche etwa haben wir die ersten Versuchselemente hier auf der Wiese aufgebaut.“ Aha, also doch ein Arbeitsplatz mit Badehose neben Atemschutzmaske und Sicherheitsschuhen! Beukelmann dämpft die Begeisterung: „Na ja, das Wasser ist aber eiskalt, das heizen wir nicht auf.“
Gerutscht, gefragt, eingestellt
Auch wenn wir im Norden der Schweiz schon dicht an der Grenze zu Deutschland sind, fällt der fehlende Dialekt unseres Gesprächspartners auf. „Ich komme aus Wuppertal und bin erst seit 2016 hier beschäftigt.“ Wie kommt ein Wuppertaler in die Schweiz? „In Plettenberg gibt es ein Schwimmbad mit einer großen Rutschanlage. Und da war ich als Techniker im Maschinenbau einfach neugierig, wer das gebaut hat.“ Aus der Frage wurde ein Kontakt, aus dem Kontakt der Job als Leiter der E-Fertigung.
„Die Ideen zu den verschiedenen Elementen, aus denen unsere Rutschanlagen bestehen, werden hier im Team geboren. So sind etwa die Free Falls entstanden, wo optische Täuschungen vorgaukeln, man rutsche geradeaus, bis sich auf einmal ein Absatz unter einem auftut. Oder der High Fly, wo der Badegast eine Sprungschanze bewältigen kann. Stehrutsche, Looping, Magic Tube und ganz neu der Stormchaser, wo wir mit einer Turbine arbeiten, die den Badegast mit bis zu 100 km/h Windgeschwindigkeit sogar bergauf schießen kann.“
Jede der ungefähr 40 Rutschanlagen, die pro Jahr entstehen, ist eine Spezialanfertigung, angepasst an die Wünsche und Gegebenheiten der Betreiber vor Ort. „Mein Team und ich stellen die dazu nötigen Schaltschränke hier in Hallau her. Zeitmessungen, Effektesteuerungen, Licht und Musik sowie Videos und Touchpoints in den Anlagen werden von uns geplant und gesteuert, dazu die Anbindung der Sensorik in der Anlage. Einzig die Wassertechnik liegt nicht in unseren Händen, die wird vom Betreiber realisiert. Und wir nehmen die Rutschen dann vor Ort auch in Betrieb.“
Abnahme durch den TÜV
Bis zu 120 m3 Wasser rauschen pro Stunde die glatten Bahnen hinunter. „Wir bekommen von der Pumpe ein Signal, ob der Betrieb okay ist, dann steuern wir die Anlage bis hin zu den Zugangskontrollen, etwa in Form von Drehkreuzen. Natürlich wird jede Anlage sicherheitstechnisch vom TÜV Süd überprüft und abgenommen.“
In der Fertigung und am Schaltschrank wird deutlich, dass Klarer Wasserrutschen eine enge Verbindung nach Ostwestfalen hat. „Neben Reihenklemmen der ST-Linie setzen wir auch Switches und Relais von Phoenix Contact ein. Die Sicherheit der elektrischen Anlagen garantieren uns M-Guards.“ Neben Werkzeug aus Blomberg verwenden die Schweizer auch die Beschriftungstechnologie von Phoenix Contact. „Die Anlagen müssen zuverlässig sein, auch wenn der Endkunde im Bad nur den Spaß vor Augen hat. Aber der Betreiber kann Störungen überhaupt nicht gebrauchen, da ist die Notwendigkeit von reibungslosen, sicheren Abläufen und einfachen Wartungsroutinen gleich wie in der Industrie.“
Denn steht die Rutsche still, hört der Spaß auf. Doch Tobias Beukelmann und sein kleines Team sind sich ziemlich sicher, dass sie sich auch bei den nächsten atemberaubenden Attraktionen nicht nass machen werden.