Porträt – Der Visionär

Er war Erfinder, Konstrukteur, Unternehmer und Visionär – mit Josef Eisert brach bei Phoenix Contact eine Zeitenwende an. Der Ingenieur aus Süddeutschland formte aus dem einstigen Handelsunternehmen einen Hersteller innovativer Produkte, der das Zeug zum späteren Weltmarktführer hatte.

Stiller Gesellschafter August Scherrbacher, Betriebsleiter Carlo Schmidt, Gesellschafter Josef Eisert, Sohn Jörg Eisert, Stiller Gesellschafter und damaliger Klemmkörper-Lieferant Herr Weisser (v.li.). Besichtigung der Langdrehautomaten anlässlich einer Gesellschafterversammlung in den 60er Jahren

Ohne ihn wäre das heutige ­Phoenix Contact nicht vorstellbar. Josef Eisert war ein genialer Erfinder und unablässiger Tüftler. Am Ende seiner Schaffenszeit hatte er 281 Patente auf seinen Namen angemeldet. Doch davon ahnte 1898 noch niemand. In diesem Jahr wurde der älteste von drei Söhnen in Dielheim nahe Heidelberg geboren.

Gastwirtschaft und Sepp Herberger

Dabei schlug Josef Eisert komplett aus der Art, denn seine Eltern führten die Gastwirtschaft „Zur Sonne“. Die übernahm später Bruder Anton. Und auch der Jüngste, Otto Eisert, folgte den elterlichen Fußstapfen und eröffnete den Gasthof „Zum Hirsch“. Nur Josef führte sein Weg statt an den Zapfhahn an das Zeichenbrett des Konstrukteurs.

Er entdeckte seine Leidenschaft für die Elektrotechnik. In seiner studentischen Zeit in Mannheim spielte er übrigens an der Seite des später legendären Sepp Herberger bei Waldhof Mannheim. Doch auch das runde Leder konnte den angehenden Ingenieur nicht von seiner Bestimmung ablenken.

Patentschrift für ein Hakenschloss

Nach absolvierter Ausbildung am Mannheimer Ingenieur-Technikum begann Josef Eisert seine berufliche Laufbahn bei Brown Boveri Cie (BBC) in Mannheim. Schon aus dieser Zeit gibt es erste Patente, die weit über die Elektrotechnik hinausreichen. So zeichnet er unter anderem verantwortlich für ein Schloss für Eisenbahn-Schiebetüren. Mit dem Erlös aus dem Verkauf des Patents erwarb er ein Haus im Schwarzwald. Das wurde zur Ferienpension „Blümlishof“ umgebaut und von seiner Schwieger­mutter geführt.

Tapetenwechsel Berlin

Anfang der 30er-Jahre nahm Josef Eisert ein Angebot des Elektrokonzerns Siemens in Berlin an. Der 34-Jährige arbeitete in der Siemens-Schuckert-Zentrale. Die Energieversorgung von Kraftwerken, Freiluft-Umspannstationen oder bahntechnische Anlagen waren Themen, mit denen Josef Eisert betraut war. Schon bald war er Oberingenieur und leitete eine Abteilung von rund 150 Mitarbeitenden. 60 Patente entwickelte Eisert allein in dieser Zeit, darunter schon 1932 eine „Reihenprüfklemme für Hilfsleitungen“.
Im Mai 1934 wurde Sohn Klaus ­geboren, im November 1935 Jörg.

Blümlishof

1943 entschieden die Eiserts, dass Frau Emilie und die beiden Söhne aufgrund der zunehmenden Bedrohung Berlins umzogen in den „Blümlishof“ im Schwarzwald. ­Josef Eisert wurde als „kriegsunabkömmlich“ eingestuft und gehörte im späteren Verlauf des Kriegs der Organisation Todt an, einer Bautruppe, die sich um die Instandhaltung von Bauwerken und ­Infrastruktur kümmerte.

Brennholz, Bienenstock und ­Toilettenpapier

Kurz vor der Eroberung Berlins durch die russische Armee im Mai 1945 setzte sich eine Gruppe von Siemens-Mitarbeitern zur „Gruppenleitung West“ nach Mülheim an der Ruhr ab. Von hier aus ging es zurück zur Familie in den Schwarzwald.

Deutschland nach dem Krieg – das waren chaotische Verhältnisse, zerstörte Großstädte, Nahrungsmangel und mühsamer Neubeginn. Die Eiserts lebten bescheiden, maßgeblich von den Einkünften der kleinen Pension. Josef Eisert verdiente unter anderem als ­Waldarbeiter beim Holzeinschlag dazu.

Doch bremsen konnte das den Erfindergeist des Konstrukteurs nicht. Er erlernte nicht nur die Imkerei, sondern konstruierte gleich ein doppelwandiges Bienenhaus mit verschiebbarem Honigraum. Für die damals üblichen einzellagigen Toilettenpapiere entwickelte er einen raffinierten Spender, der allerdings kein Erfolg wurde. Auch für Siemens war er weiter aktiv, entwickelte unter anderem einen speziellen Scherentrenner, mit dem sich in Freiluftschaltanlagen elektrische Verbindungen trennen ließen.

Anwälte, Patente und das ­liebe Vieh

Nach wie vor tüftelte Josef Eisert auch auf dem Gebiet der Klemmen an Ver­besserungen. Dies brachte ihn in Kontakt mit dem Patent­anwalt Dr. Idel aus Essen, der auch einen gewissen Hugo Knümann ­vertrat. Der Anwalt stellte 1949 einen ersten Kontakt her. Anfangs war ­Knümann eher darauf aus, die Patente von Eisert aufzukaufen, um seine RWE-Klemme zu schützen. Doch Knümann und der 14 Jahre jüngere Eisert verstanden sich, so dass eine freie Zusammenarbeit zustande kam.

In diese Zeit fiel ein Phänomen, das als „Season Cracking“ bekannt wurde. Die Klemmen aus Knümannscher Fertigung litten unter Haarrissen im Messing der Klemmkörper. Ein Problem, was vor allem im Herbst auftrat. Josef Eisert bekam den Auftrag, sich um dieses existentielle Problem der als so robust geltenden RWE-Phönix-Klemmen zu kümmern. Er fand heraus, dass das Messing angegriffen wurde, wenn eine Kombination aus mechanischer Zugspannung, Feuchtigkeit und Ammoniak zusammentraf. Diese Konstellation entstand, wenn die Felder im Herbst gedüngt wurden. Die Lösung: Eisert ließ den Kupfergehalt des verarbeiteten Messings erhöhen. Die „Kupferklemme“ war geboren. Und Josef Eisert wurde zum technischen Leiter der gerade einmal 16 Köpfe zählenden ­Phönix Elektrizitätsgesellschaft H. ­Knümann & Co. in Essen.

Ein neuer Anfang

Noch zu Lebzeiten äußerte sich Hugo Knümann über seinen umtriebigen neuen Mitarbeiter: „Der Eisert gibt nicht eher Ruhe, bis er seine eigene Fabrik hat.“ Eine prophetische Vorhersage. Der schwerkranke Knümann starb im Juni 1953. Und legte, da kinderlos, sein Unternehmen in die Hände von Josef ­Eisert. Denn dieser bekam einen 30-prozentigen Anteil am Unternehmen und wurde größter Anteilseigner.

Ursula Lampmann mit den Gesellschaftern August Scherrbacher, Otto Sillib sowie Josef Eisert (v.li.)

Damit begann die eigentliche Erfolgsgeschichte des Unternehmens. Denn Josef ­Eisert erwies sich schnell auch als herausragender Unternehmer. Gemeinsam mit Ursula Lampmann, die ebenfalls Anteilseignerin wurde und die kaufmännische Leitung innehatte, entwickelte er die kleine Firma schnell weiter. Zwei Prinzipien standen (und stehen) dabei ganz vorn: finanzielle Unabhängigkeit und eine eigene Wertschöpfung.

In Blomberg wurde der Standort mit einer eigenen Fertigung ausgebaut. Das Klemmenportfolio wurde um ein bahnbrechendes Prinzip erweitert: Der Klemmkörper, der die zu verbindenden Leitungen aufnahm, bestand in seiner Weiterentwicklung aus zusammengesetzten Stanzbiegeteilen. Ein völlig neues Bauprinzip, bei dem viele Produktionsschritte neu gedacht werden mussten.

Jörg Eisert, Eugen Berg, Josef Eisert und Ernst Noelle (v.li.) auf einem Treffen in Lüdenscheid

Das führte zu einer intensiven Zusammenarbeit mit der Lüdenscheider Metallwarenfabrik Noelle & Berg, die schon zu Knümanns Zeiten Zulieferer war. Josef Eisert überzeugte die Inhaber Ernst ­Noelle und Eugen Berg, Anteile an der Phönix Elektrizitätsgesellschaft zu übernehmen und im Gegenzug das Lüdenscheider Unternehmen zu einer Schwesterfirma unter dem Namen ­Phoenix Feinbau zu machen. Die kleine Elektrizitätsgesellschaft wurde zur Unternehmens­gruppe.

Sieg der Provinz

Die ersten eigenen Produktionsmaschinen waren Langdrehautomaten und Duroplast-Rundläuferpressen. Anfangs fanden sie in den Lüdenscheider Räumlichkeiten von Noelle & Berg Platz, doch Josef Eisert begann, den Standort Blomberg auszubauen. An der Flachsmarktstraße zwischen Feldwegen fand er ein Grundstück und ließ 1957 die erste Halle errichten.

Baubegehung im Rohbau von Halle 1

Typisch für Josef Eisert: Der Visionär war nicht nur an Klemmen und Maschinen interessiert, sondern blickte weit über den Tellerrand hinaus. Die Architektur der ersten Hallen ist noch heute gesichtsgebend für das Unternehmen. Schon 1960 folgte die zweite Halle. Denn das Portfolio wuchs rasch an, Eisert und seine Mitarbeitenden entwickelten die Klemme immer weiter. Und der älteste Sohn, Klaus Eisert, stieg als Konstrukteur in die väterliche Firma ein. Ihm folgten Jörg und später auch Gerd Eisert, die ihren Vater tatkräftig unterstützten.

Schnell wurde klar, dass es in Essen kaum möglich war, passende Räumlichkeiten aufzubauen. Gleichzeitig stieg der Aufwand, um vom Firmensitz aus sowohl Lüdenscheid als auch Blomberg zu koordinieren. Also fiel die Entscheidung, den Firmensitz nach Ostwestfalen zu verlegen. 1965 begannen die Arbeiten am zentralen Verwaltungsgebäude, dem noch heute nur „das Hochhaus“ genannten Wahrzeichen von Phoenix Contact. Josef Eisert war intensiv an den Planungen und der Ausführung beteiligt. Ein eigenes Maurerteam mit eigenem Maschinenpark war tatkräftig im Einsatz. 1966 zog auch die Verwaltung in ihr neues Domizil.

Prägung der Firmenkultur

Mittlerweile war Josef Eisert 68 Jahre alt. Doch an Ruhestand dachte der Neu-Blomberger nicht. Täglich arbeitete er an neuen Produkten, erweiterte dafür die Produktionsanlagen und startete eine dafür nötige Bautätigkeit, die noch heute anhält. Werkzeug- und Maschinenbau wurden zum festen Bestandteil der Firmenfamilie und sind Ausdruck der außergewöhnlichen Wertschöpfungstiefe.

Aus dem 18-köpfigen Montage- und Handelsunternehmen in Essen formte Josef Eisert in 22 Unternehmerjahren ein großes mittelständisches Familien­unternehmen und legte den Grundstein für den rasanten Aufstieg zu einem internationalen Weltmarktführer. Den führten seine Söhne Klaus, Jörg und Gerd Eisert konsequent und sehr erfolgreich weiter.

Josef Eisert, genialer Konstrukteur und visionärer Unternehmer

Josef Eisert starb am 24. März 1975 im Alter von 77 Jahren.  

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