Mittlerweile heißen Personalabteilungen Human Relations. Und die Mitarbeitenden dieser Bereiche müssen auch gar nicht mehr stocksteif und konservativ sein. In Zeiten von Fachkräftemangel und Homeoffice verändert sich auch die Welt des Personal-Managements dramatisch. Spannende Herausforderungen für die Blomberger Personalleiterin Ines Ludwig.
Wer zaghaft an die Tür der Personalabteilung klopft für ein erstes Gespräch mit Ines Ludwig, wird überrascht: Statt konservativer Steifigkeit nimmt einen die Energie der gebürtigen Bielefelderin mit, die Atmosphäre ist locker, der Ton entspannt. Und statt Anzug ist die ganze Abteilung auch mal in weißen Sneakern unterwegs.
Die heutige Personalleiterin arbeitet seit 15 Jahren bei Phoenix Contact. „Nach meinem Abitur habe ich eine Berufsausbildung zur Industriekauffrau in einem kleinen Betrieb abgeschlossen. Davon profitiere ich heute noch, da ich dort in alle Bereiche reinschnuppern konnte“. Dort blieb sie insgesamt neun Jahre. Schon ab dem zweiten Ausbildungsjahr übernahm sie die Lohnabrechnungen. Damit war die berufliche Laufbahn vorgezeichnet, eine Ausbildung zur Personalfachkauffrau folgte. Berufsbegleitend hängte die Bielefelderin ein Studium der Betriebswirtschaftslehre mit Fachrichtung Wirtschaftsrecht dran. Kurze Zeit später bekam sie eine Stelle als Abteilungsleiterin bei Phoenix Contact. Die noch ausstehende Diplomarbeit vollendete sie quasi „nebenbei“.
Werte statt Nummern
Heute kümmert sich Ines Ludwig unter anderem um die Gestaltung der Arbeitssituation bei Phoenix Contact. Dazu zählen Betriebsvereinbarungen mit den Betriebsräten zu Themen wie mobilem Arbeiten. Aber auch Bewerbungen landen noch auf ihrem Schreibtisch. Ein Job mit Strahlkraft: Ludwig und ihr 15-köpfiges Team beschäftigen sich mit Themen, die am Ende des Tages rund 5.500 Mitarbeitende betreffen.
Sie selbst schätzt die Familienorientierung des Unternehmens sehr.
„Nachdem meine vorherige Firma von einer großen Holding übernommen wurde, war es mir wichtig, in ein familiengeführtes Unternehmen zurückzukehren. Ich wollte wieder mit echten Menschen arbeiten und nicht mit Personalnummern. Mitarbeiterwertschätzung ist bei Phoenix Contact ein wichtiges Thema.“ Natürlich hat sich in den letzten Jahren auch hier viel verändert: „Wir sind größer und damit auch standardprozessgetriebener geworden.“ Trotzdem ist Ines Ludwig die Nähe zu den Menschen im Büro oder in der Produktion wichtig. „Ich könnte nicht fünf Tage die Woche von zu Hause aus arbeiten. Da würde mir definitiv etwas fehlen.“
Perfekte Bewerberinnen und Bewerber
„Die gibt es gar nicht mehr!“ Ludwig lacht. „Am Ende kommt es auf den Job und die benötigten Kompetenzen an, aber in ganz vielen Bereichen suchen wir heutzutage eher Musterbrecher statt Bewerber mit stromlinienförmigem Lebenslauf.“
Trotz ausführlicher Bewerbungsverfahren spielt für Ines Ludwig auch das Bauchgefühl eine wichtige Rolle. „Fachliches Wissen kann man sich gegebenenfalls noch aneignen, Werte leider nicht. Es gibt Bewerber, die im ersten Gespräch schüchtern und introvertiert sind. Im Team funktionieren sie dann aber super. Oder Menschen, die alle in Grund und Boden reden, in ihren Abteilungen aber nicht zur Zusammenarbeit bereit sind.“ Keine leichte Aufgabe, dies in den Gesprächen zielsicher herauszufinden.
Standortvorteil Hinterland
Auch bei Phoenix Contact ist der Generationenwechsel ein großes Thema. Die geburtenstarken Baby-Boomer-Jahrgänge gehen allmählich in den Ruhestand, viele junge Menschen kommen neu in die Teams. Wie bleibt das Familienunternehmen aus Blomberg für Berufseinsteiger attraktiv? „Mit guten Ausbildungsmöglichkeiten wie etwa den dualen Studiengängen. Mit einem hervorragenden Ausbildungszentrum im benachbarten Schieder. Und mit zahlreichen Möglichkeiten, sich über ihre Leistungen auch international einbringen.“
5.780 Mitarbeitende Standort Blomberg
22.500 Mitarbeitende weltweit
Einen Standortnachteil spürt sie im ländlichen Blomberg nicht: „Unser Hauptstandort in Blomberg ist doch klasse. Wir sind mitten in der Natur, können weit gucken und es gibt bezahlbaren Wohnraum. Außerdem gibt es jede Menge kulturelle Angebote im Umland. Zudem sind die Arbeitsmodelle dank mobilem Arbeiten und Homeoffice mittlerweile deutlich vielfältiger geworden. Heute arbeiten viele Mitarbeitende bei uns, die gar nicht direkt im Umland wohnen. Übrigens hat Phoenix Contact weitere Standorte, die auch in Ballungsräumen liegen, wie etwa in Berlin.“
Eine deutliche Veränderung gäbe es auch bei der Zugehörigkeit zum Unternehmen, weiß Ines Ludwig zu berichten. „Besonders in IT-Berufen ist es gar nicht mehr en vogue, bis zur Rente im selben Unternehmen zu arbeiten. Heute gehen wir ganz bewusst das Risiko ein, dass ein Mitarbeitender nur wenige Jahre bei uns bleibt. Da müssen auch wir für uns ungewohnte Kompromisse eingehen.“
Fachkräfte- und Frauenmangel
„Mitarbeitende aus Migrationsländern stellen vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels definitiv eine Zielgruppe für uns dar.“ Das Thema Arbeitskräfte aus Flüchtlingsländern ist für Ludwig eine Herzensangelegenheit. „Wir haben erste Mitarbeitende aus der Ukraine oder Mexiko fest eingestellt. Gar nicht so einfach, denn deren Teams müssen auf einmal Englisch reden. Das ist für den ein oder anderen schon eine Herausforderung“, berichtet die 45-jährige. Und bürokratische Hürden wie Arbeitserlaubnis oder Ausbildungsanerkennung machen das Einstellungsverfahren nicht leichter, seufzt die Personalleiterin.
Phoenix Contact ist ein Unternehmen, das in mehr als 50 Ländern aktiv ist. Wie sieht es dort mit den Werten aus, die in Deutschland für Identität sorgen? „Politische Konflikte dürfen nicht in das Unternehmen hineingetragen werden. Für uns gelten die Menschenrechte überall gleich. Das betrifft auch teils heikle Themen wie die Gleichberechtigung. Wir können die sozialen Verhältnisse in den Ländern, in denen unsere Tochtergesellschaften aktiv sind, nicht ändern. Doch in unseren Unternehmen gelten unsere Werte.“
Und wie sieht es mit der Gleichberechtigung am heimischen Standort aus? „Wir werden in diesem Jahr eine Diversity-Policy implementieren. Und wir haben viele neue Kolleginnen mit viel Selbstbewusstsein, die auch bereit sind, Führungspositionen zu übernehmen.“ Besonders schwierig sei immer noch die Tatsache, dass Phoenix Contact ein Unternehmen in der Technikbranche ist, in der nach wie vor zu wenige Frauen aktiv sind. „Unser Frauennetzwerk ingenious ist da ein wichtiger Schritt. Dort vernetzen sich unsere Ingenieurinnen und tauschen sich aus.“
HR und konservativ? Von wegen!
Und was gefällt Ines Ludwig an ihrer Aufgabe als Personalleiterin am ehesten? Sie lacht: „Dass ich ordentlich mitmischen kann.“ Sie wird ernst: „Ich bin in einer Position, in der meine Entscheidungen viele Menschen beeinflussen. Diese Verantwortung empfinde ich als spannende Herausforderung: gleichzeitig sowohl die Interessen vom Teilzeitmitarbeitenden am Band bis hin zum CEO im Blick zu haben und positiv auszubalancieren.“
Provinz und Fachkräftemangel, neue Berufswelten und Homeoffice, Familienunternehmen, Internationalität und Frauenquote – stocksteif war gestern. Heute müssen wir genauso flexibel sein wie die Profile unserer Bewerber und auch mal über den Tellerrand hinausblicken.“ (Paula Meier Galbete)