Wenn diese Kollegen auf Touren kommen, dann müssen die heimischen Stadtwerke Extraschichten einlegen. Das Blitzschutzlabor von Trabtech genießt einen legendären Ruf und ist Heimat zahlloser Entwicklungen, die uns gerade in der stärker werdenden Klimaveränderung vor atmosphärischem Ungemach schützen.
Wer zynisch ist, der würde sagen, dass die Business Unit Trabtech einer der Nutznießer des Klimawandels ist. Denn das, was an erhöhter Temperatur unseren Planeten wärmer macht, das landet unter anderem in Form von Wasserdampf und Energie in unserer Atmosphäre. Und das sind die Bausteine, aus denen sich Gewitter zusammensetzen. Deren Intensität nimmt stetig zu.
So ganz behaglich ist es Arno Kiefer mit dieser kühnen Einschätzung allerdings nicht. Der Director Market Development ist die vertriebliche Stimme der Blitzmacher. Er betont: „Eigentlich nimmt nicht die Zahl der Gewitter zu. Was aber zunimmt, ist die Kombination aus regenerativen Energiequellen, volatilen Energienetzen und jeder Menge Steuerungselektronik. Und all das will und muss geschützt werden vor Überspannungen.“
Eine Aufmerksamkeit, die nicht selbstverständlich ist. Arno Kiefer seufzt: „Jede elektrische Anlage funktioniert zunächst einmal ohne Blitzschutz. Über die Notwendigkeit wird meist erst dann nachgedacht, wenn ein Schaden aufgetreten ist. Man braucht uns also eigentlich nur, wenn es schon zu spät ist. Umso mehr, wenn man weiß, dass nicht jedes Land die gesetzlichen Vorgaben hat, die es in Deutschland gibt.“
Potzblitz
Blitze sind eine besonders imposante Form der Energieentladung. Sie können sich in einer Gewitterspannung mit bis zu 1,3 Milliarden Volt austoben (bisheriger Rekordhalter in Indien) oder die enorme Länge von über 700 Kilometern aufweisen (per Satellit über Brasilien gemessen). Am häufigsten blitzt es über dem Maracaibo See Venezuelas (bis zu 240 Nächte pro Jahr). Und der am längsten leuchtende Einzelblitz erhellte den Himmel 16,73 Sekunden (in Argentinien 2019 gesichtet).
Dagegen wirkt ein „normales“ Sommergewitter fast wie ein laues Lüftchen, bei dem sich Blitze mit einer durchschnittlichen Stärke von rund 100.000 Ampere und einer Spannung von etwa 100 Millionen Volt entweder zwischen den Wolken austoben oder gen Erde rasen.
Das geht auch in Blomberg: Wenn im Blitzschutzlabor von Phoenix Contact alle Reserven mobilisiert werden, dann sind auch hier Blitzstärken bis 100.000 Ampere möglich. „In der Regel arbeiten wir aber mit deutlich weniger Energie“, erklärt Arno Kiefer, „denn ein natürlicher Blitz wird ja nur mit der halben Kraft ins Haus kommen, die andere Hälfte wird über die Erde abgeleitet. Und in der Einspeisung verteilt sich der Rest dann noch einmal.“
Wenn die Spannung überhand nimmt
Blitze sind nur eine Form der Überspannung, die Schäden an elektrischen und elektronischen Anlagen auslösen kann. Wenn auch eine besonders drastische, die das größte Zerstörungspotenzial hat. Um sich davor zu schützen, bedarf es eines äußeren Blitzschutzes, der die elektrische Entladung auf einem definierten leitfähigen Weg ableitet und nicht ins Haus und an elektrische Anlagen lässt. Selbst ein Einschlag in einiger Entfernung kann ausreichen, um Schäden an hauseigenen Installationen auszulösen.
Eine ganz andere Form der Überspannung tritt auf, wenn große Stromabnehmer Schaltvorgänge auslösen. Diese Schaltvorgänge sorgen in den Stromnetzen für höchst unwillkommene Störungen, die so stark sein können, dass sie ebenfalls zerstörerische Überspannungen verursachen.
Eine Größenordnung geringer sind die Überspannungen, die durch elektrostatische Entladungen entstehen. Sie treten auf, wenn sich Körper mit unterschiedlichem elektrostatischem Potenzial annähern und es zu einem Ladungsaustausch kommt, etwa bei Förderbändern in der Logistik und Produktion. Betroffen sind hier empfindliche elektronische Geräte und Anlagen.
Nach Feuer und Sturm sorgen Überspannungen für die meisten Schäden. Im Jahr 2012 betrug ihr Anteil an allen versicherten Schäden etwa 18 Prozent. Tendenz steigend, denn unsere moderne Welt wird immer elektronischer und vernetzter. Immer mehr und immer empfindlichere elektronische Geräte bestimmen in privaten Haushalten, aber auch in gewerblichen und industriellen Anlagen den Alltag. Zugleich steigt nicht nur das Potenzial von Gewittern. Auch unsere Energienetze müssen mit der Einspeisung von regenerativen Energieerzeugern wechselnde Strommengen verkraften. Was die daran hängenden Verbraucher, die es am liebsten immer stetig und gleichbleibend haben möchten, häufig übelnehmen.
Kleines Labor mit großen Erfolgen
Begonnen hat die Geschichte der Blomberger Blitzewerfer ganz unspektakulär in einem kleinen Gebäude am Rand des großen Firmengeländes von Phoenix Contact. Das Werk 3 war die erste und langjährige Heimat des Stoßstromlabors. Hier entstanden zahlreiche Ideen, wurde gedacht, getüftelt, ausprobiert und etliche Patente angemeldet. Ein kleines Labor mit großen Erfolgen, wie Arno Kiefer nicht ohne Stolz anmerkt.
Doch irgendwann reichten die Räume einfach nicht mehr aus – die Planungen für ein neues Gebäude begannen. Und wenn schon, denn schon: Die neue Heimat der Business Unit sollte nicht nur ein Laboratorium umfassen, sondern zugleich repräsentative Aufgaben übernehmen und auch die Heimat der angeschlossenen Büros werden. 2014 wurde das Gebäude feierlich eingeweiht.
Ein Ort der Zerstörung
Et voilà, heute stehen wir hinter einer großen Glasscheibe, die uns von den künstlichen Naturereignissen trennt, und verfolgen, wie Arno Kiefer und der stellvertretende Laborleiter Frank Schäfer versuchen, eingespannte Sicherheitsmodule an den Rand ihrer Belastbarkeit zu treiben. „Und am liebsten ein Stückchen darüber hinaus“, schmunzelt Schäfer, der sich bereits seit 14 Jahren mit Überspannungen beschäftigt. „Unser Labor ist einzigartig, denn wir haben hier nicht nur umfangreiche technische Möglichkeiten, sondern können auch sämtliche Testate ausführen, die für jede denkbare Zulassung im elektrischen Bereich verlangt sind. Unser akkreditiertes Labor ist unabhängig, testet also auch Produkte, die nicht von Phoenix Contact hergestellt werden.“ Auch Konkurrenzprodukte? „Ja, wir haben hier eine Sonderrolle und sind im Rahmen dieser Tätigkeit auch zur Verschwiegenheit verpflichtet.“
Gerade in Blomberg genießen die Fähigkeiten der Phoenix Contact-Labore einen fast schon ehrfürchtigen Ruf. Das Blitzlabor liegt direkt an einem der beiden Stromversorgungsleitungen der ostwestfälischen Kleinstadt. Aufgrund eines Anlagenfehlers gingen in der Anfangszeit tatsächlich kurzzeitig die Lichter in der halben Stadt aus. „Das ist heute technisch ausgeschlossen, war damals aber natürlich ein Aufreger erster Klasse“, weiß Arno Kiefer zu berichten.
Der Ruf als eines der aufregendsten Forschungslabore von Phoenix Contact eilt den Herren der Blitze voraus: Speziell beim Elektrohandwerk sind Besuchertouren unter fachkundiger Führung heiß begehrt.
Neue Aufgaben
Dabei geht es nicht immer um herkömmlichen Schutz in den bekannten Wechselstromnetzen. Das Thema Gleichspannungsnetze rückt im Rahmen des verstärkten Ausbaus der regenerativen Energien mehr und mehr in den Fokus. Vor allem die Photovoltaik produziert meist Gleichstrom, der dann nicht nur in die Netze eingespeist wird, sondern auch noch über Umrichter angepasst oder in Batteriesystemen gespeichert wird. „Diese verschiedenen Quellen und ihre Eigenschaften sind im Hinblick auf Überspannungen und Fehlverhalten noch Neuland. Hier forschen wir mit Hochdruck, um in Zukunft maßgeschneiderte Produkte für die unterschiedlichen Anlagen zu entwickeln“, macht sich Kiefer über seine Zukunftsaussichten wenig Sorgen.
Phoenix Contact Überspannungsschutz
Phoenix Contact Trabtech Whitepaper