Schon die Kelten wussten ihre heilenden Kräfte zu nutzen, lange bevor die Römer hier das antike Aquae Helveticae errichteten – in Baden an der Limmat gibt es die ältesten bekannten Thermalquellen der Schweiz. In einer neuen, spektakulären Anlage sorgt Automatisierungstechnik von Phoenix Contact für den reibungslosen Umgang mit dem heißen Wasser aus dem Untergrund.
Jedes Bauvorhaben, das hier umgesetzt werden will, wird von Archäologen mit Adleraugen überwacht. Denn wo immer Spaten oder Bagger im Schweizer Baden ansetzen, ist fast sicher, dass Historisches zu Tage gefördert wird. So auch bei Fortyseven, dem aufsehenerregenden Thermalbad von Stararchitekt Mario Botta, gelegen am Knie der Limmat. Und richtig – wo heute ein futuristisch anmutender Gebäudekomplex die Tradition der alten Bäder wiederbelebt, haben sich seit Jahrtausenden verschiedene Kulturen in Form von eigener Bäderarchitektur verewigt.
Schatz im Untergrund
Christian Bühler ist Projektleiter im Bereich Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik bei der Schweizer Pfiffner AG. Er kennt das Gebäude wie seine Westentasche und führt uns zielsicher in die Katakomben des modernen Wellnesstempels. Doch bevor wir abtauchen in die Welt von Wärmepumpen, Steuerungs- und Regelungstechnik, geht es an einem Schatz vorbei: Ein kleiner Ausschnitt aus den Funden der Frühzeit wurde in der Therme sichtbar gemacht. Ein Blick durch die Glasscheiben lässt einen Blick zu auf die steinernen Fundamente und Einfassungen aus Zeiten der Römer, die hier gefunden wurden. Der Rest liegt entweder unter den neuen Fundamenten oder wurde sorgfältig erfasst und dann entfernt. Denn 6.700 Quadratmeter neuester Architektur und Technik brauchten ihren Platz, so geschichtsträchtig der Grund auch sein mag.
Architekt Mario Botta hatte dabei zwei große Zielsetzungen: „Der Fluss muss der Protagonist bleiben. Und der 47 Grad warmen Quelle, diesem Geschenk der Natur, muss ich einen würdigen Platz einräumen.“ Das Ziel scheint ziemlich gelungen, wie schon ein Blick aus der Vogelperspektive zeigt. Das Thermalbad liegt inmitten der Altstadt Badens, direkt am Fluss Limmat, der später in die Aare fließen wird. Trotz seiner modernen Architektur fügt sich der Komplex harmonisch in Landschaft und umgebende alte Bäderarchitektur ein. Und wer das Gelände zu Fuß erkundet, stößt schnell etwa auf die Möglichkeit, ganz kostenlos direkt am Fluss und open air ebenfalls ein Bad in den heißen Quellen nehmen zu können – der „Heiße Brunnen“ ist eine Reminiszenz an die Bewohnerinnen, Bewohner, Besucherinnen und Besucher, die nicht direkt Gast des Thermalbads sein wollen. Quasi ein Hotspot for free.
In der Thermalwasserzentrale
Genug der oberirdischen Freuden, es geht ans Eingemachte. Sprich in die Bereiche, in denen die Kraft aus der Tiefe auf modernste Technologie zur Versorgung der Anlage trifft. Christian Bühler erklärt: „Fortyseven hat keine eigenen Quellen, sondern wird aus fünf Quellen aus der Umgebung gespeist. In zwei Auffangbecken wird dieses Wasser gelagert. Von dort aus wird es durch vier Thermalwasserspeicher geleitet, welche die Energie über große Wärmetauscher an das Systemwasser abgeben, das wiederum zur Aufbereitung des Heizungs- und Kühlwassers genutzt wird. Das Brauchwasser bringen wir so auf 67 Grad Celsius, das Heizungswasser bleibt bei 47 Grad Celsius. Und ein Teil des Thermalwassers wird natürlich direkt in die Bäder geleitet.“ Die Speicher sind thermisch geschichtet – oben befindet sich das 67 Grad warme Wasser für Duschen, Bad oder Waschbecken, unten das mit 47 Grad für die Heizung. Je nach Anforderung wird das benötigte Wasser oben oder unten aus den Speichern entnommen. Die großen Wärmepumpen laufen fast durchgehend. Wird weder Brauch- noch Heizwasser benötigt, produzieren sie Kälte. Das abgekühlte Systemwasser aus dem Verdampferkreislauf wird dann für den Kältekreislauf verwendet, etwa im Sommer über die Fußböden der Behandlungsräume in der Therme. Mehrheitlich wird allerdings über die Lüftung gekühlt.
Zusätzlich zu den beiden Wärmepumpen gibt es noch einen Gaskessel für eine Spitzenlastabdeckung, sollte die Leistung der Wärmepumpen nicht ausreichen. Hier sind noch einmal Reserven von einem Megawatt vorhanden.
Luft(feuchte) raus
Im Badbereich selber ist die hohe Luftfeuchtigkeit ein Problem, weil die Fenster nicht beschlagen sollen. In der Regel wird mit der kühleren Außenluft entfeuchtet. Da das aber speziell im Sommer nicht immer funktioniert, ist dort eine zusätzliche Entfeuchtungsmaschine montiert, die auch die gesamte Anlage mit entfeuchtet.
Es gibt diverse Kaltwasserbecken, die teils bis auf vier Grad abgekühlt werden müssen. Diese Becken werden mit dem abgekühlten Wasser der Wärmepumpen gespeist, das noch deutlich weiter herunter gekühlt werden muss. Bühler fasst zusammen: „Zu rund 90 Prozent wird das Produkt Wärme abgerufen. Wird Kälte benötigt, greifen wir mit zusätzlichen Kältemaschinen auf das gekühlte Wasser zurück und sparen so einen eigenen Kältespeicher.“
Wie ausgeklügelt das Gesamtsystem ist, verraten zwei weitere Anlagenelemente. Zum einen wird dem Abwasser durch eine Fäkalien- und Abwasserwärmepumpe über eigene Plattentauscher seine Wärme abgenommen, bevor es die Anlage verlässt. So geht auch diese Energie nicht verloren. Und selbst die Abwärme der Anlagen selber wird genutzt: „Die Abwärme vom Maschinenraum wird genutzt in dem eine Luftwärmepumpe betrieben wird, die die Brauchwarmwasser-Zirkulation auf einem konstant hohen Niveau von 55 Grad Celsius hält.“
Statt also mit der reichlich vorhandenen thermischen Energie aus dem Untergrund verschwenderisch umzugehen, wird im Gegenteil extrem aufwändig darauf geachtet, dass das Gebäude effizient betrieben werden kann. Lohn der Anstrengungen: Die Therme hat ein Minergie-Zertifikat bekommen, eine Art Schweizer Energiepass für besonders klimaeffiziente Gebäude. Nur ein Viertel der benötigten Energie für Wärme, Lüftung und Klimatisierung muss von außen zusätzlich in Form von Elektrizität bereitgestellt werden, der Rest wird in house erzeugt. Für eine Wellnesstherme mit ihren vielen verschiedenen Nutzungsarten und Funktionen ist das eine imposante Energiebilanz.
Energiefluss im Griff
Projektleiter Bühler bestätigt: „Die Anlage hier ist sicher einzigartig. Allein eine Thermalquelle hat halt nicht jeder zur Verfügung. Auch für uns war es eine echte Herausforderung, diese komplexe Art der Energiekopplung so umzusetzen.“ Nicht ohne Stolz fügt er hinzu: „Mittlerweile sind wir so weit, dass wir aus einem Anteil Strom vier bis fünf Anteile Wärmeenergie gewinnen können.“
Die gesamte Steuerung der Anlage, das Monitoring und das Zu- und Wegschalten der Wärmepumpen läuft über die Controller von Phoenix Contact, wie Christian Bühler beim Öffnen von einem der insgesamt 15 Schaltschränke zeigt. Er fügt hinzu: „Insgesamt haben wir 21 ILC2050 BI-L-Controller verbaut, die über die Phoenix Contact-eigene Software Emalytics parametriert sind. Das ist übrigens das erste Großprojekt, welches wir mit Phoenix Contact umgesetzt haben.“
Die Experten der Pfiffner AG sind alte Hasen in Sachen Gebäudeautomation. Daniel Knechtli, bei Phoenix Contact Schweiz spezialisiert auf das Thema Gebäude, erklärt: „Christian und sein Team kennen sich seit Jahren mit dem Niagara-Framework aus, also dem Software-Grundgerüst, mit dem hier gearbeitet wird. Neu waren somit lediglich unsere Hardware und die Besonderheiten unserer Emalytics-Anwendungen.“ Er weist auf den Monitor, der in der Tür des Schaltschranks integriert ist: „Die Visualisierung war ein wichtiges Thema. Hier sehen wir gerade die Wärmepumpe, die wir ja auch deutlich hören. Wir arbeiten mit unseren eigenen Icons, aber grundsätzlich sind die Bausteine in der Entwicklungsumgebung des Controllers von Phoenix Contact hinterlegt.“
Steuern, regeln, warten
Flink huschen die Finger über das Bedien-Panel: „Die Visualisierung umfasst sowohl das Thermalbad selber wie auch Gewerbe- und Wohnraumflächen sowie eine geplante Reha-Klinik angrenzend an die Therme.“ Im gesamten Komplex ist ein externer Dienstleister für das Facility Management im Einsatz. Speziell für deren Fachleute ist die Visualisierung besonders wichtig, um schnell erkennen zu können, ob die Anlagen in Ordnung sind oder wo sich eventuelle Störungen befinden. Bühler führt aus: „Hier kann man nicht nur schauen, sondern auch steuern und die Anlage regeln. Das geht natürlich auch über einen Fernzugriff. Die Anwender haben Lese- und Schreibrechte, können die dahinter liegende Programmierung allerdings nicht verändern. Das geschieht nur über uns.“
Im Rahmen der Programmierung wurde eine Schnittstelle über BACnet zu einem Alarm-Server realisiert. Per SMS wird bei einer Störung ein Servicetechniker informiert. Der kann sich per Remote zuschalten und sehen, woher der Alarm kommt. Je nach Priorisierung entscheidet er, ob jemand vor Ort aktiv werden muss oder ob die Meldung über Fernwartung zu beseitigen ist. Grundsätzlich wird der Betreiber über den Zustand seiner Anlage stets informiert. Christian Bühler weist auf eine zusätzliche Stärke von Emalytics hin: „Die Pooltechnik arbeitet mit einem eigenen System, aber wir haben die Technik über die offenen Schnittstellen von Emalytics in unser System eingelesen und können sie so sichtbar machen.“
Mineralientransport
Das „gebrauchte“ Wasser wird letztlich in die Limmat abgeleitet. Und da es lediglich die natürlichen Mineralien mit sich führt, ist diese Einleitung unbedenklich. Das sieht im Inneren der Anlagen anders aus. Hier ist es notwendig, die Anlagen vor dem mineralhaltigen Wasser zu schützen. Die Register werden immer wieder mit Frischwasser durchgespült. Die Thermalquellen von Baden sind die mineralhaltigsten in der ganzen Schweiz. Die Mineralien lösen sich auch in der Umgebungsluft, darum wurden spezielle Beschichtungen eingesetzt, um die elektrischen Anlagen vor Ablagerungen zu schützen.
Christian Bühler ist mit der Zusammenarbeit mit Phoenix Contact sehr zufrieden: „Fortyseven war unser erstes gemeinsames Großprojekt. Seitdem setzen wir immer stärker auf die Lösungen und den Support von Phoenix Contact. Gebäudeautomation wird immer wichtiger. Und die Energieüberwachung wird ein noch dominanteres Thema werden. An der Limmat haben wir ein echtes Leuchtturmprojekt gemeinsam umgesetzt.“