Das Kenny’s Auto-Center ist einer der namhaftesten Autohändler in der Schweiz. Bekannt ist die Firma nicht nur durch ihre automobilen Sterne, sondern auch durch die Einladung zum exquisiten „Käfeli“. Dazu passt der neue Standort in Dietlikon, der in Sachen Design und Gebäudeautomation ebenfalls für Aufsehen sorgt. Wir haben den Experten besucht, der das Gebäude schlau gemacht hat.
Das neue Hauptquartier des wohl bekanntesten Schweizer Mercedeshändlers in der historischen Demag-Fabrikhalle in Dietlikon nahe Zürich ist ein architektonischer Traum aus Stahl, Blech und Glas. Die spannende, offene Konstruktion der alten Industrieanlage steht in reizvollem Kontrast zu den mobilen Schönheiten, die hier präsentiert werden. Mittendrin als Markenzeichen eine Café-Bar, an der das legendäre „Käfeli“ durch den hauseigenen Barista serviert wird.
Doch in Sachen Energie und Effizienz sind solch alte Industriebauten eher ein Graus. Hitze oder Kälte finden meist ohne große Hürde ihren Weg ins Innere. Weder Isolierung noch Belüftung waren von den einstigen Erbauern vorgesehen. Für die nötige Klimatisierung waren einst lange Unterhosen im Winter oder Shorts im Sommer nötig. Für ein modernes Autohaus, in dem die glänzende Modellpalette aus Stuttgart präsentiert wird, nicht ganz die passende Garderobe.
Und so kommt Thomas Nebl auf den Plan. Der sympathische 35-jährige Techniker und studierte Automationsmanager ist der Mann, der der alten Halle ihre energetischen Manieren beibringen will. Der Inhaber der Firma Gatec AG ist spezialisiert auf Gebäudeleittechnik. Gemeinsam mit seinem Partner Gaspare Accardi und einem achtköpfigen Team zeichnet er verantwortlich für die innovative Gebäudeautomation, die aus dem alten Energiefresser samt seiner Anbauten eine 6.200 m2 große Nutzfläche in CO2-Neutralität gemacht hat. „Wir sind seit zwölf Jahren in der Schweiz aktiv und projektieren verschiedene Objekte im Bereich Gewerbe und Industrie. Wir haben unseren Fokus auf Gebäudeautomation, die Mess-, Steuer- und Regelungstechnik und eben die Leittechnik gelegt, sowohl im Neubau als auch im Bestand.“
Wobei man sich bei Kenny’s über die Definition als Alt- oder Neubau streiten könnte, denn natürlich wurde die alte Halle komplett entkernt, die gesamte Außenhülle dem heutigen Stand der Technik angepasst und mit neuen Anbauten ergänzt. Eine über 2.000 m2 große Solaranlage mit 500 kW Spitzenleistung versorgt den Betrieb und ermöglicht das Laden von Elektrofahrzeugen. Zusammen mit Erdsonden deckt sie den betrieblichen Bedarf an Energie und Wärme ab. Die Anlage produziert in den Sommermonaten einen Energieüberschuss, der momentan noch ins öffentliche Netz eingespeist wird. Perspektivisch soll er aber via 30 Ladestationen in Elektrofahrzeuge einspeist und gespeichert werden. So wird aus einem Autohaus quasi ein Kraftwerk mit Pufferspeicherfunktion für die Energienetze.
Wohlfühltemperaturen trotz Blechdach
Zum Gesamtkonzept passt das Werkstattangebot: Das erste Obergeschoss des Auto-Centers ist auf umfangreiche Arbeiten an alternativen Antrieben inklusive Hochvoltbatterien ausgerichtet. Und wo macht „stehende Mobilität“ mehr Sinn als hier, wo die leistungsstarken Akkus der auf Käufer wartenden E-Fahrzeuge bidirektional überschüssigen Strom aufnehmen und bei Lastspitzen wieder abgeben könnten? Diese Ergänzung ist vorgesehen, sobald die Autos dazu in der Lage sind.
Thomas Nebl erläutert die Aufgabenstellung: „Wir haben hier viele ganz unterschiedliche Gewerke, die wir automatisieren, die wir also miteinander sprechen lassen müssen. Die Aufgabe ist, das Gebäude intelligent zu machen.“ Er zeigt um sich: „Eine besondere Herausforderung ist natürlich die Klimatisierung dieser Halle. Im Sommer kühlen, im Winter heizen und das möglichst energieeffizient. Also müssen die lufttechnischen Anlagen mit der Heizungsanlage kommunizieren können.“
Energy matters
Doch nicht nur technisch leistet das Team rund um Thomas Nebl Pionierarbeit: „In den letzten Jahren hat sich in der Schweiz viel in Sachen Energiepolitik und Gebäudeplanung getan. Zunächst war das Thema Effizienz gerade bei den Investoren und Planern nur ein Randthema. Aber mittlerweile ist Energie ein entscheidender Kostentreiber beim Unterhalt geworden. Mit unserem Ansatz der Gebäudeautomation sind wir da sehr gut aufgestellt.“
Dagegen spielen Komfort und Nutzerfreundlichkeit bei Industrie- und Gewerbekunden nach wie vor kaum eine Rolle. Mit einem kleinen Schmunzeln führt Nebl aber aus: „Es ist natürlich viel leichter, ein Gebäude kostengünstig zu betreiben, wenn man Wartung und Betrieb zentral überwachen und steuern kann. Das ist auch hier bei Kenny’s in dieser alten Industriehalle ein großes Thema gewesen.“ Die Raumautomation dagegen spielte bei dem Autocenter kaum eine Rolle, denn die vorgegebene Flächennutzung war in der Planung des Autocenters von vornherein festgelegt.
Vor gut zwei Jahren sind Thomas Nebl und sein Team zu dem Projekt gestoßen. Schon in der Planungsphase war Gatec involviert, noch bevor die Ausführungsplanung erstellt war. „So konnten wir die Gebäudeautomation von Anfang an passend berücksichtigen.“ Wenig Zeit für eine derart umfassende Maßnahme: „Das war die große Herausforderung. Natürlich stand die Halle schon, aber viel mehr eben auch nicht. In der Gebäudetechnik muss es aber eigentlich immer ziemlich schnell gehen. Das war sehr spannend und intensiv.“
Nebl und sein Team konnten dabei auf ein Alleinstellungsmerkmal von Phoenix Contact setzen. „Wir konnten beim Aufsetzen der Datenmanagementebene auf das automatische Tagging zurückgreifen. Wenn die einzelne Steuerung mal aufgesetzt ist und man die Informationen in die Leitebene übernehmen will, dann konfiguriert sich diese Managementebene quasi von selber. Da ist nicht mehr so viel Engineering nötig. Das funktioniert nur bei Phoenix Contact. Mit Makros und automatischem Tagging sowie der Kooperation mit den Experten bei Phoenix Contact konnten wir durch virtuelle Inbetriebnahmen gut vier Wochen Zeit sparen. Das war bei dem engen Zeitplan entscheidend. Wir hatten die Grundlagen durch Phoenix Contact und konnten dies durch unsere Arbeit verfeinern.“
Energiemanagement
Beim Rundgang durch das beeindruckende Autohaus erklärt Thomas Nebl, wo seine Firma im Detail tätig war: „Wir haben fast alles in Sachen Heizanwendung gemacht, angefangen von den großen Umluftheizern und -kühlern.“ An der Decke sind große schwarze Boxen zu sehen: „Das sind Lüfter, die überall dort arbeiten, wo große Volumen nötig sind. In den Büroräumen arbeiten wir mit Heiz- und Kühldecken, die nach dem gleichen Prinzip arbeiten, aber eher über die Fläche wirken. Zur Belüftung verwenden wir Volumenstromregler, die individuell mit mehr oder weniger Luft beströmt werden können. Im Dachbereich haben wir die Heizanwendungen untergebracht, die Vorregulierung und den Lüftungsmonoblock mit den großen Ventilatoren.“
Ein ganz besonderes Highlight ist das Konzept im Auslieferungsbereich. Die Übergabe der hochwertigen Fahrzeuge, die hier ihren Käufer finden, wird regelrecht zelebriert. „Da gibt es eine richtige Show mit Vorhang, Musik und Licht.“ Auch diese Besonderheit wurde im Emalytics-System von Phoenix Contact zusammengefasst.
Auch ein Gebäude wie dieses lernt nie aus – die Planer und Betreiber haben noch einiges vor. Thomas Nebl erklärt: „Jüngst wurde eine Flächenwärmepumpe in Betrieb genommen. Parallel wird ein Energiemanagementkonzept aufgesetzt, in das die Daten des Gebäudes einfließen. Dadurch können wir den Energieüberschuss nutzen für die Kältemaschinen, die Wärmepumpe oder Energiespeicher. Durch das offene System von Phoenix Contact können wir solche Technologien mit aufschalten, sobald sie verfügbar sind.“ Für Nebl ist es besonders spannend, dass die Technologien im Leitsystem nicht abgeschlossen sind: „Früher hatten wir diverse Subsysteme, die mit unterschiedlichen Protokollen gearbeitet haben. Hier ist das in einem einzigen System zusammengefasst und macht das Gebäude so zu einem lernenden Organismus.“
Daten füttern mit System
Die Aufgabe bei Kenny’s ist langfristig: „Wir werden auch in Zukunft unterstützen im Bereich der Energie- und Betriebsberatung. Wenn sich einzelne Parameter ändern, hat das Einwirkungen auf das ganze System. Da müssen wir dann Anpassungen vornehmen.“ Das realisieren die Automatisierungsprofis von Gatec in der Regel über einen Fernzugriff. „Da wir komplett digitalisiert arbeiten, braucht solch eine Anpassung nur wenige Minuten.“
Nachsitzen mussten Lehrer und Gebäude allerdings auch: Die mehreren tausend Informationspunkte, die ihre Daten permanent Richtung Controller schickten, brachten die Steuerung an den Rand ihrer Leistungsgrenze. Laufzeitprobleme waren die Folge. Steuerungsbefehle kamen nicht mehr durch. „Mit dem Support von Phoenix Contact kamen wir aber auf eine gute Lösung. Wir haben die Regler quasi langsamer gemacht und so den Datenstrom reduziert.“
Bei Kenny’s wird also nicht nur künftig bidirektional geladen, sondern auch weiter gelernt. Der Wissenstransfer geht in beide Richtungen, auch von der Anwendung Richtung Hersteller. Und das Gebäude liefert sowieso einen steten Datenstrom, mit welchem die installierten Systeme über die Jahre immer besser abgestimmt werden können.
Kenny‘ Auto Center
Gatec AG
Phoenix Contact Gebäudeautomation
Phoenix Contact Schweiz