Egal wie viele Vorteile Gleichstrom auf seiner Seite hat – es gibt nach wie vor auch in Fachkreisen massive Vorbehalte gegen den Umgang mit DC. Und viel zu wenige Fachleute, die nicht nur planen, sondern auch installieren. Bernd Zeilmann ist eines dieser raren Exemplare.

Den Weg nach Blomberg kennt Bernd Zeilmann mittlerweile fast im Schlaf. Der Obermeister der Elektroinnung Bayreuth ist einer der Umsetzer der Gleichstromfabrik an der Flachsmarktstraße. Ob Handwerk, Industrie oder Forschung – Bernd Zeilmann ist überall zuhause und weiß genau, was funktioniert und wo es Schwierigkeiten gibt in Sachen Gleichstrom.
Was treibt einen gelernten Elektroinstallateur und Meister aus einem klassischen Handwerksbetrieb dazu, sich auf so innovatives Parkett zu wagen wie die DC-Technologie? Man merkt Meister Zeilmann sofort an, dass er für das Thema Innovation brennt: „Mein Ziel ist es, die hohe Qualität unserer Arbeit im Innungshandwerk zu erhalten und noch auszubauen. Das erklärt mein Interesse an Innovationen und der Forschung. So bin ich auch auf den Begriff der All Electric Society aufmerksam geworden, die ja eine Möglichkeit sein kann, um die nötige Energiewende umzusetzen.
Wir haben bei Richter R&W schon immer Schaltanlagen gebaut und Automatisierungslösungen für den in unserer Region stark vertretenen Maschinenbau entwickelt, uns da auch mit Software und Steuerungen beschäftigt. Mit dem Thema einer innovativen Energieverteilung auf Basis von Gleichstrom erweitern wir unseren Kundenkreis und unterstützen dadurch kommunale und gewerbliche Kunden auf dem Weg zur Klimaneutralität.“ Aus diesem Antrieb haben Zeilmann und seine Kollegen in der Bayreuther Innung den Austausch mit dem Fraunhofer Institut IISB in Erlangen gesucht, um gemeinsam Lösungen für die Energiewende zu entwickeln. Die Praktiker wollten und wollen die Technologieentwicklung schneller machen, vom Prototypen über den Demonstrator bis zur Serienreife. Denn, so Bernd Zeilmann: „Wir stehen da nicht national, sondern global im Wettbewerb.“
Wie komplex dieses Vorhaben sein kann, zeigte sich schnell. Vor gut acht Jahren wollte das Fraunhofer Institut in Erlangen das erste Forschungs-DC-Netz aufbauen. Aber selbst das renommierte Institut fand zunächst keine Fachfirma, die solch ein Gleichspannungsnetz errichten konnte. Richter R&W nahm an der Ausschreibung teil und erhielt prompt den Zuschlag für die DC-Energieverteilung. Der pfiffige Zeilmann dachte gleich weiter und installierte auch im eigenen Betrieb ein innovatives DC-Netz.
Link zur Industrie
Neben Planung und Installation des Gleichstromnetzes in der All Electric Society Factory von Phoenix Contact waren die Fachleute aus der fränkischen Schweiz zuletzt auch für die „NExT Factory“ des Gleichstrompioniers Schaltbau aus München im Einsatz. Und die Zahl an innovativen Vorhaben nimmt zu: „Wir sind aktuell dabei, für das Bundesministerium für Digitales und Verkehr das bidirektionale Laden mit einem mobilen Gleichspannungsnetz zu erproben, das in einem Container untergebracht ist.“
Phoenix Contact und Schaltbau sind mittlerweile Partnerunternehmen, wenn es um Gleichstrom geht. Und Bernd Zeilmann ist der Praktiker und Umsetzer, quasi der Link zwischen den Unternehmen. „Heute können wir Gleichstromnetze anbieten, die größtenteils auf Komponenten von Phoenix Contact und Schaltbau zurückgreifen.“
Doch noch ist der Weg zum eigenen Gleichstromnetz ein steiniger. Bernd Zeilmann erklärt warum: „Ein großer Knackpunkt sind die Vorschriften und Normen, nach denen solche Energienetze zu errichten sind. Für uns ist es natürlich wertvoll, dass ich selber in Standardisierungsgremien der zuständigen Normungsanstalten mitarbeite. So können wir unsere Erfahrung aus den Projekten direkt einbringen und innovative Themen wie bidirektionales Laden und DC-Netze voranbringen.“
Der innovationsfreudige Zeilmann, der in seiner Gremienarbeit den Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH) vertritt, diskutiert mit Wissenschaftlern und politischen Entscheidern, mit Netzbetreibern und der Industrie, wie die Energiewende realisiert werden kann. „Ein komplexes Thema“, erläutert der Franke. „Man koppelt eben den Strom- mit dem Verkehrs- und Wärmesektor, und diese Schnittstellen gab es in der Dimension vorher nicht. Das ist Neuland.“
Die Vision der Sektorenkopplung bringt Bernd Zeilmann aus eigener Erfahrung mit ein: „Ich fahre schon viele Jahre elektrisch. Mein Netzbetreiber kann mir vorschreiben, welche Ladestation wo anzuschließen ist. Aber den interessiert das Auto, was dann lädt, überhaupt nicht. Wenn ich jetzt einen stationären Batteriespeicher ans Netz bringen will, dann muss ich den anmelden und genehmigen lassen. Doch was ist eigentlich, wenn das Auto dank bidirektionalem Laden als mobiler Batteriespeicher fungieren kann?
Unabhängige Insel
Wir haben diese Problematik gelöst, indem wir den zertifizierten EZA-Regler von Phoenix Contact einsetzen, der den Zugang ins AC-Netz im Mittelspannungsbereich gewährleistet. Seit Anfang 2024 steht es dem Betreiber von steuerbaren Einrichtungen frei, ob er hinter dem Anschlusspunkt ins öffentliche Netz sein DC-Grid eigenverantwortlich betreibt oder dem Netzbetreiber die Möglichkeit zum Eingriff per Direktsteuerung erlaubt. Denn es kann ja nicht sein, dass ein Netzbetreiber Kundenanlagen herunterregelt, obwohl der Kunde Bedarf an Eigenstrom hat. Das sind neue Lösungen, die momentan wirklich gefragt sind.“
Diese Eigenverantwortung macht aus Sicht von Zeilmann Sinn. „Industrieanlagen benötigen viel Strom. Und Anschlüsse an das Mittelspannungsnetz sind extrem teuer. Da ist die Überlegung, doch eher ans Niederspannungsnetz zu gehen und mögliche Lastspitzen in der Produktion abzufedern durch Batteriespeicher und Eigenstromerzeugung mit einem DC-Netz. Bei der ‚NExT Factory‘ von Schaltbau geht man von einer 70 Prozent niedrigeren Anschlussleistung aus. Die haben ein Hochregallager, das mit einem DC-Netz läuft. Durch Rekuperation und Batteriespeicher wird ein großer Teil der Anschlussleistung eingespart.“
Die Errichtung von industriellen Gleichstromnetzen hat einen wichtigen wirtschaftspolitischen Aspekt: „Der durchschnittliche Industriestrompreis liegt momentan bei etwa 20 bis 30 Cent pro Kilowattstunde. Strom, der selbst produziert wird, kostet lediglich die einmalige Investition in Technologie und den laufenden Unterhalt. Da rechnet man mit etwa 6 bis 8 Cent pro kWh. Und da reden wir alle über Subventionen von Industriestrom für die deutsche Industrie? Die Lösung liegt in einer Kombination aus Eigenerzeugung und Zukauf mit dynamischem Strompreis!“
Bremse Facharbeiter
Die Chancen scheinen riesig. Doch gibt es auch Hemmnisse auf dem Weg zur perfekten Energiewende? Zeilmann seufzt: „Ganz klar den Fachkräftemangel. Was nützt der Industrie die schönste Komponente, wenn sie keiner einbauen kann? Schon bei den Themen Wärmepumpen oder E-Autos musste man eigentlich froh sein, dass der große Boom bisher ausgeblieben ist. Wir hätten gar nicht die Fachleute, um überall tätig zu werden. Die Elektrofirmen in den Innungen sind alle zu 100 Prozent ausgelastet. Nicht umsonst beginnen mittlerweile etwa asiatische Konzerne, deutsche Handwerksbetriebe aufzukaufen.“

Deshalb eine klare Botschaft von Obermeister Bernd Zeilmann an die Industrie: „Wir müssen aufgrund des Fachkräftemangels automatisiert vorfertigen. Die Zeiten, in denen wir Verteilungen vor Ort händisch verdrahten konnten, sind vorbei. Das schaffen wir personell nicht mehr, wenn die Qualität weiter hoch bleiben soll.“
Seit der Hannover Messe 2025 ist Richter R&W offizieller Solutionpartner von Phoenix Contact. Damit wird unterstrichen, wie fruchtbar die Zusammenarbeit von Industrie und Handwerk sein kann. Eine Partnerschaft auf Augenhöhe …