A Walk In The Park

Die Welt scheint in Ordnung, wenn man in die Idylle Himmighausens eintaucht. Das kleine Dörfchen im südlichen Ostwestfalen ist aber nicht nur landschaftlich eine Perle, sondern auch technologisch oben auf. Und dahinter stecken ein Gutsherr und ein Familienunternehmen.

Auf 16,4 Hektar Fläche erstrecken sich insgesamt 25.650 PV-Module

Adel verpflichtet. Wer wie Georg von Puttkamer in eine Familie geboren wird, deren Stammbaum Jahrhunderte zurückreicht, der ist es gewohnt, in langfristigen Dimensionen zu denken. Natürlich stellt sich nicht jeder dieser Herausforderung. Aber der Spross des ursprünglich aus Hinterpommern stammenden Uradelsgeschlechts tritt in die Fußstapfen seiner Vorfahren und bemüht sich, Haus, Hof und Ländereien beisammen zu halten, um diese auch an die folgende Generationen weiterzugeben.

Mais muss Park Platz machen

Georg von Puttkamer im Interview

Und da von Puttkamer nicht von gestern ist und die Erträge aus Forst und Feld aufgrund des Klimawandels und des Borkenkäfers nicht ohne Risiko, entschloss sich der studierte Forstwirt und examinierte Steuerberater im Januar 2020, aus einem wenig ertragreichen Acker einen großen Solarpark zu machen. Und zwar einen Vorzeigepark. Schließlich liegt der solare Park fußläufig zum Wohnsitz der Familie. Und der ist immerhin das gute 300 Jahre alte Schloss Himmighausen mit angeschlossenem Gutshof und großem Landschaftspark.

Weniger repräsentativ ist die Bahnlinie, auf der Personen- und Güterverkehr von Hannover bis ins Ruhrgebiet rollt. Die vielbefahrene Trasse verläuft nur wenige Meter vom Schloss entfernt und teilt den herrschaftlichen Garten genau wie den gesamten Betrieb in zwei Hälften.

Vom Nach- zum Vorteil

Oberhalb der Solarreihen verläuft die Bahnlinie

Doch diese Bahnlinie erwies sich als ein passendes Bausteinchen für die Idee des Solarparks. Während nämlich bei von Puttkamer das Thema Klimawandel und die Notwendigkeit von eigenem verantwortlichem Handeln in den Fokus seines Bewusstseins rückte, stellte er fest, dass die als Belastung empfundene Bahntrasse nun endlich – rund 130 Jahre nach ihrer Errichtung – ihren guten Zweck für den Betrieb erweisen sollte: Grundstücke entlang von Bahnlinien können zu privilegierten Bauvorhaben wie Solarparks genutzt werden. Was bedeutet, dass aufwändige Bebauungspläne und damit erheblicher bürokratischer Ballast bei der Genehmigung entfallen. Sollten also vier Generationen Bahnlärm doch zu etwas Positivem taugen?

25 mal übersteigt der Energieertrag der Solarparkfläche den des vorher dort wachsenden Mais, der für Biogasanlagen vorgesehen war

Zumal die 16,4 Hektar große landwirtschaftliche Fläche, auf der der Solarpark errichtet werden sollte, zwar reich war, aber nicht reich machte. Der Acker war nämlich steinreich. Auf der anderen Seite des langgezogenen Tals, an dem die Fläche liegt, verläuft eine Landstraße. Bahnlinie, Monokultur, Straße – da sollte ein Solarpark doch höchst willkommen sein.

Doch der Gutsherr hatte die Rechnung ohne Amtsschimmel, Prüfung der Umweltverträglichkeit und besorgte Bürger gemacht. Einwände und Einlässe gab es viele, der Park wurde zum Politikum. So dauerte es dann doch noch gut zwei Jahre, bis aus der Idee langsam ein Projekt wurde. Kein Projekt ohne Projektierer – diesen Part übernahm die Firma BLG Solar Project aus Wolfhagen. Und technischer Kooperationspartner wurde Phoenix Contact. Nicht ganz uneigennützig, denn der Solarpark liegt nicht weit vom firmeneigenen All Electric Society Park und dient eventuellen Besuchern als Blick auf die praktische Umsetzung und Kompetenz des Blomberger Branchenprimus.

Vielfalt statt Monokultur

Entstanden ist ein ganz besonderer Solarpark. Denn nicht nur die Leistungsdaten sind imposant. Sondern auch die Einbindung in die Landschaft. Statt weiter ein eher trübes Dasein als eine mit Kunstdünger und Pestiziden besprühte Monokultur zu fristen, werden zukünftig Hecken und heimische Obstbäume die 164.000 Quadratmeter große Energiefläche in kleine Parzellen teilen.

Von Puttkamer mit einigen vierbeinigen Mitarbeitern des Solarparks

Die Idee war es, nicht nur einen Lebensraum für gefährdete Tier- und Pflanzenarten mit der Energiegewinnung zu kombinieren, sondern auch, die ursprüngliche, kleinteilige Kulturlandschaft mit Hecken und Gehölzinseln wieder herzustellen. Die Aussaat von heimischen Blumen und Kräutern zwischen den Modulreihen bietet Insekten eine reichhaltige Speisekarte und verhindert gleichzeitig die Bodenerosion. Das finden nicht nur Insekten, sondern auch Vögel und Wildtiere so interessant, dass sie die aufgeständerten Energiemodule schlicht ignorieren oder als Deckung benutzen. Damit das Buschwerk sich nicht der Solarpanel bemächtigt, werden Schafe als lebende Rasenmäher eingesetzt. Der Zaun, der die gesamte Energieanlage aus Sicherheitsgründen umgibt, erhält so einen zweiten, tierhegerischen Aspekt.

Was sich anhört wie eine Idylle für Öko-Aktivisten, entzückt aber auch die Geldgeber. Der Energie- und damit Erlösertrag der ehemaligen Ackerflächen liegt um den Faktor 25 höher als zuvor. Nicht ohne Stolz rechnet von Puttkamer vor, dass schon nach rund zweieinhalb Jahren der gesamte Park CO2-neutral wird, eingerechnet auch alle Emissionen während der Bauphase und der Herstellung der verwendeten Technologien.

Stress für das Netz

Burkhard Dittmann (li.) mit einem Teammitglied
des Projektierers BLG Solar Project,
noch zu Baustellenzeiten des Parks

Es wird Zeit für einen Ortswechsel. Vom Schloss geht es gemeinsam mit Georg von Puttkamer in den Solarpark. Hier treffen wir Burkhard Dittmann. Der kennt Anlage und Details aus dem Effeff, denn der Experte aus dem Vertriebsteam von Phoenix Contact war von Beginn an eingebunden in Planung und Errichtung der Anlage.

Von Puttkamer erklärt beim Öffnen des Tors: „Die Leistung von 12 GWh aus den 25.650 aufgeständerten Photovoltaikmodule deckt den Bedarf von rund 5.000 Einfamilienhäusern. Himmighausen mit seinen 450 Einwohnern wird so zum Netto-Stromexporteur. Burkhard Dittmann ergänzt: „Einziger Haken – die hier erzeugte Energie übersteigt bei weitem die vor Ort benötigte Energie, zumindest wenn man auf den tagsüber erzeugten Solarstrom blickt. Nachts hingegen dreht sich das Verhältnis um. Da dann keine Energie aus der Sonne zur Verfügung steht, müssen die lokalen Lasten durch das öffentliche Stromnetz versorgt werden. Das bringt dieses Stromnetz ohne geeignete Regelmechanismen schnell an den Rand der Leistungsfähigkeit.“

Solare Spielregeln

Man merkt, dass der blaublütige Familienunternehmer auch in Sachen Solarpark mittlerweile zum Experten geworden ist: „Seit 2019 gibt es eine verbindliche Anwendungsregel, die besagt, dass sich Erzeugungsanlagen wie unser Solarpark über die Fernwirktechnik des Netzbetreibers in Wirk- und Blind-Leistungseinspeisung beeinflussen lassen. Mit dieser „Fernsteuerung“ kann der Netzbetreiber auf den Park zugreifen und die Netz-Frequenz und -Spannung stabilisieren. Zudem kann so der erzeugte Strom von Direktvermarktern an der Strombörse verkauft werden.“

Es war kein einfacher Weg vom ersten Gedanken bis zum funktionierenden Solarpark. Doch mittlerweile sind die organisatorischen und technischen Hürden genommen. Die Sonne scheint, die Wechselrichter summen und der Park gibt sich alle Mühe, die getätigten Investitionen mit erneuerbarer und sauberer Energie zurückzuzahlen. Was nicht nur seinen Besitzer freut, sondern auch die Grundlage für ein Leben nachfolgender Generationen ermöglicht, weit über die eigenen Hofgrenzen im beschaulichen Himmigheim hinaus.

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So lief die Eröffnung des Solarparks
Gut Himmighausen
BLG Solar Project

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