Lausbubengeschichten

Vernunft ist eine Tugend. Je verrückter die Zeiten und Nachrichten, desto mehr mag man sie schätzen. Aber manchmal muss man seine guten Vorsätze auch auf nächste Woche vertagen. Manchmal darf es auch wild und verwegen sein.

Porsche darf er nicht genannt werden, also ist es der Revive One. Baujahr der 911 G-Hülle ist 1986, Umbaujahr 2024

Es geht um automobile Fortbewegung. Um Elektromobilität. Eine Domäne von Phoenix Contact. Und in der Regel vernünftig und seriös. Alltagstauglich und ökologisch einwandfrei. Doch an diesem Wochenende kann man das getrost vergessen. Der Grund grinst niedrig geduckt über den Asphalt. Verspoilert, tief, mit Riesenflügel auf dem wohlgeformten Hintern. So ungeniert nach Fahrspaß, Unvernunft und political incorrectnes schreiend, dass es jeden Freund von automobiler Fortbewegung sofort in seinen Bann schlägt.

Der E-Cannonball sauste am vergangenen Wochenende durch Nordrhein-Westfalen. In achter Auflage treffen sich Mobile, ob auf zwei oder vier Rädern, ob als Leichtgewicht oder in der Schwergewichtsklasse, und frönen einer batteriebetriebenen Rallye mit allerlei sportlichen und spaßigen Aufgaben. Der Hintergrund ist allerdings sehr seriös, denn der Spirit des E-Cannonball ist, die Alltagstauglichkeit und Vielfalt batterieelektrischer Antriebe deutlich zu machen.

E- Cannonball-Organisator Ove Kröger

Stephan Volgmann und Tim Flöter nahmen bereits zum zweiten Mal an der Rallye teil. Und während die beiden Phoenix Contact-Piloten im letzten Jahr einen E-Buzz bewegten, nahmen sie in diesem Jahr mit einer Droge teil. Weder in Pillen- noch in Pulverform, sondern gut zwei Tonnen schwer. Außen weiß, innen schwarz. Und die wirkt schnell, und sie wirkt hart. Fast brutal. Die Firma Revive Automotive im schleswig-holsteinischen Heide ist spezialisiert auf den Umbau von Klassikern in Elektromobile. In diesem Fall hat sie einen eigentlich luftgekühlten Boxer aus dem Heck eines 80er Jahre-Porsches durch einen 300 PS starken E-Motor ersetzt. Und das Vehikel im Rahmen eines partnerschaftlichen Events den beiden Phoenix Contact-Piloten zur Verfügung gestellt.

Sakrileg auf vier Rädern

Bevor die Puristen jetzt aufschreien: Auch der Autor dieser Zeilen ist sehr kritisch an dieses Mobil herangetreten. Doch die Qualität des Umbaus ist verblüffend. Zum einen sind bis auf Motor, Kabelbaum und nötige Anpassungen von Bremse und Kühlung alle sonstigen Teile unverändert geblieben. Karosse, Fahrwerk, Reifen und Felgen – und wer unter das Auto schaut, erblickt die gewohnte Drehstabfederung, die originalen Stabilisatoren und die Fahrwerkschwingen. Beim Blick ins Cockpit fällt erst auf den zweiten Blick auf, dass die klassischen Rundinstrumente ganz neue Funktionen haben, so liebevoll hat man sich den originalen Vorlagen angenähert. „Und alles ist rückrüstbar“, versichert Max Carstensen, Inhaber der 7-Mann-Manufaktur.

Was sich geändert hat? Natürlich der Sound. Und dann der Punch, mit dem der „Revive One“, so heißt die 80er-Jahre-Ikone nach dem Umbau, den Asphalt frisst. Der zauberte den beiden Managern aus dem Vertrieb Deutschland permanent ein breites Grinsen ins Gesicht. Trotz Unwetters mit Sturmböen und stundenlangem Dauerregen. „Ohne ABS, ohne Servo und mit tropfendem Dach – das war schon das originale Feeling aus dem Baujahr des Boliden, 1986“, Stephan Volgmann bekommt das Grinsen trotzdem nicht aus dem Gesicht. Gestartet wurde die E-Cannonball am Samstagmittag in Neuss. 600 Kilometer Ruhrgebiet, Bergisches Land und Sauerland lagen vor den Teilnehmern, bis die Tour am Sonntag wieder ihren Zieleinlauf im Ladepark Hilden hatte.

Volgmann und Flöter starteten in einem Gesamtteilnehmerfeld von 108 Fahrzeugen in der „Hero“-Klasse, also den Umbauten. Die rasanten 300 PS wollten nach rund 300 Kilometern mit neuer Energie versorgt werden, die in der 54 kW großen Antriebsbatterie gespeichert wurden. Stolze 70 kW Ladeleistung sorgten dafür, dass es zügig wieder auf die Piste ging, wenn ein Ladestopp angesagt war. Technische Hürden? „Nö, bis auf einen Reset des Systems, der schnell erledigt war, lief alles entspannt und reibungslos. Ganze zweimal mussten wir pro Tag nachladen, und das auch nur, um auf die ganz sichere Nummer zu gehen.“ Keine schlechte Strategie, wie sich am Ende im Ziel zeigte: „Wir sind stolzer Dritter in unserer Gruppe geworden“, freut sich Stephan Volgmann und hat damit die Latte für eine eventuelle Teilnahme bei der nächsten Rallye schon jetzt ziemlich hoch gelegt. Man darf also gespannt sein auf weitere Lausbubenstreiche der beiden sympathischen Phoenix Contact-Piloten ….

Revive Automotive
E-Cannonball
T&T Emobility, Ove Kröger – YouTube
Phoenix Contact eMobility

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