Ihnen entgeht nichts. Die Experten des Münchner Hightech-Unternehmens TOPseven machen Inspektionsdrohnen so schlau, dass die fliegenden Adleraugen Schäden an Rotorblättern sofort erspähen. Und zwar nahezu autonom und nach festem Flugplan.
Ortstermin Brandenburg. Ein Windpark vor den Toren Berlins. Freie Flächen, große Türme, Menschenleere. Ein laues Lüftlein lässt die Blätter gemütlich drehen. Nur eine Anlage steht still. Vor ihr ein Campervan. Drogengeschäfte? Mafiatreff? Man könnte an einen Drehplatz für einen Krimi denken. Doch statt Geld und Waffen werden hier Informationen gesammelt. Und das ganz legal, mit Erlaubnis und höchst willkommen.
Ein sechsarmiger Inspekteur
Katja Weißbach wartet schon auf uns. Sie ist bei TOPseven für den Vertrieb zuständig. Und korrigiert gleich unsere Erwartungshaltung: „Wir konstruieren keine Drohnen und sind auch keine hauptberufllichen Windrad-Servicetechniker. TOPseven versteht sich als Softwareentwicklungsunternehmen. Unter anderem für automatisierte Flüge von Inspektionsdrohnen. Daher auch unser Motto – Making Drones Smarter. Übrigens nicht nur für Windräder, sondern auch für Solaranlagen. Wir wollen überall dort Inspektionen vereinfachen, wo es durch bauliche Unzugänglichkeit schwierig wird.“
Um die mehrflügeligen Geräte wirklich smart zu machen, bedarf es natürlich tiefgreifender Kenntnisse sowohl von Windkraftanlagen als auch von Drohnentechnologie. Daher hat sich Katja Weißbach kompetente Verstärkung organisiert. Christian Minnieur und sein Sohn Pascal sind bei TOPseven unter anderem für den Bereich Schulungen von Servicetechnikern zuständig. Die werden nämlich in mehrtägigen Trainings fit gemacht für den Einsatz der fliegenden Augen. Denn selbst für versierte Drohnen-Hobbypiloten sind die Profigeräte eine ganz neue Herausforderung. TOPseven arbeitet mit mehreren dieser Schulungsteams in ganz Deutschland.
Überwachung per Autopilot
Christian Minnieur hat die schwarze DJI Matrice 300 RTK bereits vorbereitet. Bevor das sechsarmige Fluggerät startet, haben die Techniker ein Stativ aufgestellt, welches den Datentransport von Drohne zu Basisstation auch ohne externes Funknetz realisiert und die Drohne zentimetergenau fliegen lässt. Das optische System besteht aus einer eigens entwickelten 61 Mp TOPseven-Kamera. Die hohe Auflösung ermöglicht es, auch kleinste Schäden an Rotorblättern visuell zu entdecken.





Es sind aber nicht nur Stürme, die Windkraftanlagen stressen. Auch heftige Gewitter inklusive Blitzschlägen hinterlassen unerwünschte Spuren. In der Regel werden die Blitze am Blatt von speziellen Rezeptoren eingefangen und die Blitzenergie über die Blitzableitstrecke abgeleitet. Phoenix Contact hat eine eigene Sensorik entwickelt, um Blitzströme in der Ableitstrecke zu messen und so schädigenden Einschlägen auf die Schliche zu kommen. Doch diese Systeme müssen alle zwei Jahre überprüft werden. TOPseven hat seinen fliegenden Detektoren dafür spezielle Sensoren mit auf den Flug gegeben. Die Signalgeneratoren werden an das Blitzschutzkabel in der Rotorblattwurzel angeklemmt. Das muss von Anlagentyp zu Anlagentyp individuell abgestimmt werden. Die Drohne selbst besitzt einen Feldsensor. Die Generatoren senden dann Signale in die Blitzableitstrecke. Die Drohne fliegt von der Blattspitze beginnend das Blatt ab und empfängt diese Signale. So können eventuelle Schäden zentimetergenau erkannt werden. Die Flugrouten sind genau festgelegt, die Drohne fliegt sie autonom ab. „Mit diesen Daten können die Betreiber die Schäden genau lokalisieren und dann viel schneller reparieren, als wenn die ganze Anlage kontrolliert werden muss,“ erklärt Katja Weißbach.
Teure Tests
Begeistert holt Fotograf Andre Köller seine eigene Drohne aus dem Koffer, um der schwarzen DJI Matrice fotografierend in die Lüfte zu folgen. Amüsiert betrachtet das Team den Winzling neben dem Profigerät. Der Start der beiden Fluggeräte erfordert noch je einen Piloten. Dann trennen sich die Wege, denn die Servicedrohne begibt sich auf ihre festgelegte Route. Die Vestas 136 hat eine Nabenhöhe von 149 Metern, also muss die DJI auch diese Höhe erreichen. Christian und Pascal Minnieur verfolgen den Flug am Rechner, auf dem jetzt die Flugdaten eingehen. Die Drohne fliegt autonom ihren Auftrag ab.
Für Henri Fröhlich ist die Szenerie schon Alltag. „Wir arbeiten mit TOPseven schon ein paar Jahre zusammen und stellen unsere Anlage für die nötigen Tests zur Verfügung.“ Fröhlich ist technischer Betriebsleiter bei Notus Energy Service: „Wir errichten und betreuen Windkraft- und PV-Anlagen. Die Vestas hier betreiben wir sogar selber. Das macht es unkomplizierter, wenn für die Weiterentwicklung der Inspektionssoftware das Windrad mal stehen muss.“ Normalerweise wird die Anlage monatlich kontrolliert. Halbjährlich findet der Service in der Gondel statt, der Blitzschutz wird alle zwei Jahre vom Hersteller gecheckt.
Innovationen für die Windkraft
Die Entwicklung der Drohnensteuerung ist auch organisatorisch keine Kleinigkeit, denn stehen die Blätter für Tests still, kann weder Strom geerntet noch verkauft werden. Ausgleichszahlungen werden üblicherweise fällig. Doch dank der Tests kann der Betreiber dieser Anlage sicher sein, dass sein Windrad in bestem Zustand ist. Und dazu nicht nur im Bereich Wartung ein Innovationsträger: „Auf dieser Anlage haben wir außerdem ein Fledermauserkennungssystem installiert. Starten die Flattermänner im benachbarten Waldstück auf Besuchsflug, dann stellt sich die Anlage automatisch ab“, erklärt Fröhlich die besondere Innovation auf „seiner“ Vestas.









Während die Drohnen zum Landeanflug ansetzen und von ihren Piloten wieder eingefangen werden, stiefelt Fröhlich gen Windmühle. Flug beendet – Stillstand vorbei. Die bestens kontrollierte Anlage soll wieder drehen. Und im Van klappen die Laptops zu, die Daten sind eingesammelt. Langsam nehmen die Blätter der Vestas wieder ihre Rotation auf. Und wenn das Team sich trollt, dann herrscht wieder Ruhe auf dem weiten Feld vor den Toren Berlins.