Fußballstadien mitten in der Stadt sind selten geworden. Doch überall dort, wo es sie noch gibt, werden sie verehrt und geliebt. Allerdings nagt auch an diesen urbanen Identitätsstiftern der Zahn der Zeit. Rund um die Bielefelder SchücoArena hat sich eine ganz besondere Partnerschaft gebildet, um das Stadion fit für die Zukunft zu machen.
Teamwork ist angesagt, wenn es für Tim Greinert ins Stadion geht. Der 29-jährige Field Service Engineer ist Teil der Phoenix Contact-Mannschaft, die sich um das Retrofit, also eine grundlegende technische Erneuerung, der in die Jahre gekommenen SchücoArena kümmert. Keine Aufgabe, die mal eben schnell erledigt ist, denn ein bestehendes Fußballstadion technisch fit für die Zukunft zu machen, ohne den Spielbetrieb zu unterbrechen gleicht einer Operation am offenen Herzen. Doch Langfristigkeit ist eine Sache, mit der man sowohl bei Arminia Bielefeld, gegründet 1905, umzugehen weiß. Als auch bei Phoenix Contact, welches nur unwesentlich jünger ist (1923).
Keine Sorgen in der 2. Liga
Aktuell ist der Abstieg aus dem Fußball-Oberhaus besiegelt, doch auch die 2. Bundesliga ist für den Traditionsverein keine Katastrophe. „Wir haben annähernd den gleichen Zuschauerschnitt, ob in 1. oder 2. Liga“, erzählt Christian Venghaus nicht ohne Stolz. Der 49-jährige Armine leitet den Stadionbetrieb und die Spieltagsorganisation, ist also als „Hausherr“ ganz eng mit „seinem“ Stadion verbunden. Und hat seinen Verein und damit auch die Spielstätte schon in turbulenten Situationen erlebt: „Richtig schwierig war es in der Drittklassigkeit, denn da fehlen dann wirklich auch die finanziellen Möglichkeiten, um ein Stadion mitten in einer Großstadt halten und betreiben zu können.“ Die langfristigen Ziele sieht Venghaus aber durchaus ganz anders: „Mit unserem Stadion wollen wir in die Champions League.“ Venghaus muss angesichts hochgezogener Augenbrauen schmunzeln: „Stadion, nicht Team. So groß ist selbst mein Optimismus nicht, wir werden wohl nie in der Champions League spielen oder deutscher Meister werden. Aber wir wollen die vorhandenen Möglichkeiten optimal ausnutzen. Und in Sachen Stadion können wir meisterlich werden.“
Um diesem Anspruch gerecht zu werden, sieht sich der Stadionchef gut aufgestellt. Ihm zur Seite stehen mit Maik Lohmeyer für den IT-Bereich und Daniel Müller für das Facility Management und die technische Leitung zwei langjährige Fachleute zur Seite. Quasi eine Dreierkette in Sachen Stadion-Erneuerung. Zur Sturmreihe wird das Trio durch die Zusammenarbeit mit Phoenix Contact. „Wir leben von den Emotionen des Stadions. 20.000 Zuschauer, Flutlicht, tolle Atmosphäre – das ist unser Lebenselixier. Das können wir, das haben wir im Griff. Aber das technologische Drumherum eben nicht. Dafür brauchen wir starke Partner. Und dazu zählt besonders Phoenix Contact.“
Das Herz von Bielefeld
Doch welche Bedeutung hat ein innerstädtisches Stadion außerhalb des Volkssports Fußball, zumal sein Rasen ja nur für die kleine Schar der Profifußballer reserviert und der Rest der Anlage nur alle 14 Tage bei Heimspielen belegt ist? Venghaus widerspricht: „Wir sind der emotionale Motor der Stadt und der Region. Natürlich kämpfen wir mit den logistischen Nachteilen, vor allem mit Blick auf die An- und Abreisesituation und die Parkplatznot. Aber die Leute lieben die Nähe zur Stadt, können mit Fahrrad, öffentlichen Verkehrsmitteln oder sogar zu Fuß kommen und direkt nach dem Spiel einen Absacker in einer der Kneipen rundum nehmen. Es gibt in den Profiligen nur noch ganz wenige vergleichbare Stadien, etwa Bochum, St. Pauli, Kaiserslautern oder München 1860 – das sind Alleinstellungsmerkmale, von denen diese Clubs profitieren.“
IT-Leiter Maik Lohmeyer ergänzt: „Wir sind keine Multifunktionsarena mit Großveranstaltungen außerhalb des Spielbetriebs. Die Geschäftsstelle hat 60 Mitarbeiter, die täglich vor Ort aktiv sind. Dazu kommen Flächen, die ganz normal vermietet sind. Außerdem haben wir Themen wie die Stadionschule, in der Schüler an drei Tagen in der Woche zu uns kommen und Unterricht haben. Dann finden hier Workshops und Tagungen statt. Abendveranstaltungen wie Partys oder Hochzeiten gibt es allerdings nicht. In der SchücoArena ist also auch in der Woche einiges los.“
Altes Schätzchen
Daniel Müller ist seit 22 Jahren bei Arminia und kennt die Bielefelder Spielstätte wie seine Westentasche: „Unser Stadion ist von 1996, in Teilen von 1999 und in Teilen von 2008. Und das merkt man ihm mittlerweile deutlich an. Etwa, wenn unsere Cateringstände bargeldlos arbeiten sollen und nicht verdrahtet werden können oder die Eingänge mit Scannern arbeiten sollen und dort nicht einmal Stromleitungen vorhanden waren.“
Christian Venghaus ist sich der Notwendigkeit einer modernen Spielstätte bewusst: „Wir wollen auf der einen Seite die Fußballkultur hochhalten. Aber wir brauchen auf der anderen Seite auch ein hochmodernes Stadion, in dem der Eintritt einfach und digital geschieht, in dem bargeldlos bezahlt werden kann. Diesen Schritt haben wir in der Pandemie gewagt, und wir haben das bisher nicht bereut. Das Thema Digitalisierung muss man mit der Fußballkultur vereinen.
Und wir wollen die Themen Nachhaltigkeit und Energieeffizienz ganz aktiv spielen. Gerade bei Themen wie Wasserverbräuchen oder Energieeinsparungen wollen und müssen wir besser werden. Die Nachhaltigkeit wird auch im Lizensierungsverfahren der Deutschen Fußball Liga eine besondere Rolle erhalten, daher sind wir froh, dass wir damit schon angefangen haben.
Müll, Wasser, Strom, Emissionen von Licht und Lärm – dazu benötigen wir Daten, etwa Zuschauer- oder Parkplatztracking. Mit einer digitalisierten Benutzerführung, also einem aktiven Zuschauermanagement, vermeiden wir etwa Schlangenbildung an Cateringstellen oder Toilettenanlagen und vergrößern damit das positive Erlebnis des Stadionbesuchs.
Automatisierung statt Fußmarsch
Daniel Müller beschreibt ganz konkrete Nutzen moderner Steuerungstechnik: „Allein der laufende Betrieb der SchücoArena – nach Spielende mussten wir in der Vergangenheit extra Leute rumschicken, die überall das Licht ausgemacht haben. Das kann heute in Teilen schon vom Handy oder vom Laptop aus gemacht werden. Das wird in Zukunft über die Gebäudeleittechnik und dann weitgehend automatisiert stattfinden.“
Phoenix Contact-Mitarbeiter Tim Greinert ist seit einem Jahr regelmäßig auf der Bielefelder Alm und kennt das Stadion mittlerweile auch hinter den Kulissen: „Angefangen haben wir mit dem Austausch alter Schaltschränke im VIP-Bereich und dem Museum, dann kam der Kabinenbereich an die Reihe. Im Zuge dieses Retrofit haben wir Building-IoT-Controller installiert, auf denen unsere Gebäudesoftware Emalytics läuft. Die ist Schnittstelle für alle anderen Systeme, die im Stadion bisher installiert wurden, unter anderem die Stromzähler für die Cateringstände. Und sie schafft die Möglichkeit eines zentralen Zugriffs auf die Funktionalitäten.“.
Maik Lohmeyer arbeitet eng mit den Phoenix Contact-Experten zusammen und erklärt: „Dieses schrittweise Vorgehen ist geplant und nötig, denn bevor wir uns an die Bauabschnitte machen, müssen wir ja technische Grundlagen vor Ort schaffen, etwa Netzwerkkabel ziehen oder neue Stromleitungen verlegen. Bisher haben wir nämlich im Stadion keine wirklich einheitliche Struktur. Das ist nach und nach gewachsen. Wenn etwa die Lizenzanforderung der DFL besagte, dass wir vernetzte Torlinienkameras brauchten oder die Presseplätze mit Netzwerktechnik ausgestattet sein mussten, dann wurde da punktuell erweitert. Schritt für Schritt rüsten wir jetzt das Stadion also so auf, dass wir moderne Steuerungselemente überhaupt erst einsetzen können. Und dabei dürfen wir nicht vergessen, dass wir ja einen laufenden Betrieb haben, der nicht unterbrochen werden kann und darf.“
Home Office beim Heimspiel
Während eines Fußballspiels muss die Organisation im Hintergrund reibungslos funktionieren. Doch wer jetzt an eine große Leitwarte und viele Monitore denkt, der liegt hier falsch, wie Tim Greinert erklärt: „Wir schließen die modernen Steuerungen in den neuen Schaltschränken an das Gebäudeleitsystem an. Darüber laufen jetzt schon nicht nur die Lüftungsanlagen, sondern auch die Verbrauchszähler. So können die Arminia-Kollegen wie Daniel Müller per Tablet oder Laptop von überall aus auf diese Daten zugreifen und im Bedarfsfall Einfluss nehmen. Man bekommt eine Meldung auf das Handy und wird dann aktiv, das läuft über ein Alarmmanagement.“
So ganz stimmt der Begriff Home Office dann aber doch nicht, wie Lohmeyer und Müller schmunzeln: „Am Wochenende sind wir fast immer alle aktiv, vor allem bei Heimspielen. Da gibt es dann gern auch mal eine 7-Tage-Woche. Vier bis fünf Leute haben Zugriff auf die Technologie und können dann auch bei Bedarf aktiv werden.
Wenn die Experten von Arminia Bielefeld von Steuerung sprechen, dann sind aber nicht nur Zählerstände oder Besucherströme gemeint, wie Maik Lohmeyer im Kabinengang ausführt: „In diesem Gang, der von den Kabinen zum Spielfeld führt, werden Licht und Sound auf die jeweilige Mannschaft angepasst. Die Gegner sollen doch ein wenig eingeschüchtert und nervös gemacht werden! Wenn der Gegner kommt, wird es dunkel und laut. Donner, Blitz und Regen – wir haben hier ja schon den alten Römern die Furcht vor dem Teutoburger Wald eingebläut.“ Dann sollte mit Choreographie, Kampfgeist und Emalytics einem erneuten Wiederaufstieg ja nichts im Wege stehen!