Zwischen Big Block und Tesla

Interview mit Vince Carioti, Director E-Mobility North America, über kulturelle und ganz handfeste Unterschiede amerikanischer und europäischer Mobilität.

Amerika war schon immer ein Land der Gegensätze. Wohin bewegt sich das Mutterland der automobilen Massenproduktion? Mit Vince Carioti hat Phoenix Contact einen absoluten Insider in seinen Reihen. Und wir den idealen Gesprächspartner für ein Interview.

Vince Carioti

Vince Carioti ist als Director E-Mobility North America ganz nah am Puls der amerikanischen Autoindustrie. Und selbst ein Paradebeispiel für den „American Way of Drive“ : Der 60jährige Manager fährt mit Leidenschaft deutsche Sportwagen mit bajuwarischem Einschlag, bollert aber auch mit einem Hemi-V8 alter Machart über den Highway.

UPDATE: Hallo Vince, welches sind Deine beruflichen Erfahrungen und was sind Deine Aufgaben bei Phoenix Contact?

Ich bin schon seit 22 Jahren bei Phoenix Contact. Von meiner Ausbildung her bin ich Ingenieur, habe lange an Themen wie Electrical Design, Soft- und auch Hardware gearbeitet.
Im Laufe meines Berufslebens haben sich die Aufgaben aber mehr in Richtung Management und Geschäftsentwicklung geändert.
Bei Phoenix Contact bin ich heute zuständig für die Entwicklung und Etablierung unserer E-Mobilitäts-Lösungen im amerikanischen Markt, also Kanada, US-Amerika und Mexiko.

UPDATE: Du kommst aus dem Land von Big Block, V8, Muscle Cars, Pick-ups und billigem Benzin. Doch zugleich zeigt Tesla dem Rest der Welt, was in Sachen Elektromobilität möglich ist. Wie passt die Elektromobilität zum American Way of Life?

Zunächst einmal muss ich sagen, dass tatsächlich Elon Musk als Unternehmer uns in Nordamerika überhaupt erst mit dem Thema E-Mobilität ernsthaft konfrontiert hat. Er dominiert den Markt mit Tesla nach wie vor. Das Model 3 ist das am meisten verkaufte E-Auto in den USA.
Es gibt deutliche Unterschiede in Sachen Mobilität. Natürlich sind die Leute an der Westküste weiter als die im Mittleren Westen. Aber die großen Autobauer investieren erhebliche Mittel, um das Thema voranzubringen. Nach wie vor gibt es aber starken Nachholbedarf vor allem in der Infrastruktur,
also beim Laden. 80 bis 90 Prozent aller Ladungen finden nicht öffentlich, sondern zu Hause oder während der Arbeit statt.
Im Grunde baut gerade ein deutscher Hersteller mit Milliardenbeträgen die Infrastruktur auf, vor allem im Bereich von DC-Ladetechnologie. Wenn auch nicht ganz freiwillig, denn das ist ein Teil der Strafe aufgrund der Dieselaffäre.

Natürlich gilt bei uns noch immer „think big“. Aber immerhin: Das meistverkaufte Fahrzeug in den USA, der Pick-up F150, erscheint demnächst in einer rein elektrischen Variante (schmunzelt).
Ladedauer, Infrastruktur und eine geringe Auswahl an Fahrzeugen – noch haben es die alternativen Antriebe schwer. Das wird sich allerdings 2020 ändern. Da haben alle großen Hersteller neue Modelle angekündigt.

UPDATE: In Europa, vor allem in Deutschland, muss das Auto als Verkehrsmittel Nummer 1 alles können: die Fahrt zum Supermarkt, die Fahrt zur Arbeit, aber auch die Dienstreise und die Urlaubsfahrt quer durch Europa. Die USA sind ein Flächenland. Zwei dicht besiedelte Küsten, dazwischen reichlich Landschaft. Wie bewegt sich der normale Amerikaner von Ort zu Ort? Welche Verkehrsmittel nutzt er? Sind Flugzeug oder Bahn eine Alternative?

Auch in den USA ist das Auto Fortbewegungsmittel Nummer 1. Überlege mal, wie teuer es ist, wenn Familien mit zwei oder drei Kindern reisen müssen. Da ist das Auto am preiswertesten. Und unser öffentliches Transportwesen, unsere Infrastruktur, ist miserabel, sowohl Bus als auch Bahn. Deswegen bleibt meist nur das Auto.
Aber auch da gibt es ein Umdenken. Jüngere Leute nutzen heute verstärkt Uber oder Car Sharing-Modelle. Da verliert das Auto seinen Stellenwert. Das ändert das Nutzungsverhalten.
Übrigens: Wir sind auch dran an der Elektrifizierung von schweren und leichten Nutzfahrzeugen. Das ist ein Riesenmarkt, sowohl in den USA als auch weltweit.

UPDATE: Phoenix Contact E-Mobility in Deutschland und Phoenix Contact E-Mobility USA – vor welchen Herausforderungen stehen beide Unternehmen?

Die Entwicklung der Technologie wird ganz klar hier aus Deutschland gesteuert und initiiert. Wir als eigene E-Mobility-Sparte sind ja erst seit zwei Jahren in den USA präsent, sind also noch gar nicht
lange aktiv auf dem amerikanischen Markt.
Wir arbeiten in den USA nicht mit eigenen Entwicklern. Das geschieht am deutschen Standort Schieder. Natürlich definieren wir unsere landesspezifischen Bedürfnisse, dann setzen unsere deutschen Kollegen diese auch um. Perspektivisch brauchen wir eine eigene Entwicklung und Fertigung in den USA, denn unser Markt ist riesig. Aber das ist meine ganz persönliche Einschätzung.

UPDATE: Toyota oder Tesla –Hybrid- oder reine Elektroautos – welche Techniken machen in den USA momentan das Rennen?

Ich persönlich tendiere ganz klar zu reinen Stromern. Und Tesla gibt da ganz klar die Richtung vor. Natürlich gibt es auch Fans von Hybridtechnologien, gerade vor dem Hintergrund der fehlenden Reichweiten. Doch das ist für mich nur eine Brückentechnologie.
In den USA erlebt der klassische Motorenbau übrigens gerade eine gewaltige Veränderung. Keiner der großen Hersteller investiert mehr in die Entwicklung und Produktion von neuen Benzin- oder Dieselaggregaten. Und das war ja viele Jahre lang eine Domäne der amerikanischen Autoindustrie, in Konkurrenz vereint mit den Europäern.

UPDATE: Was für ein Auto fährst Du eigentlich selbst?

Einen BMW M3. Ein tolles Auto! Aber einen Chevy mit einem 5,7-Liter-Big Block haben wir auch in der Garage. Für mich persönlich sind die Reichweiten noch nicht wirklich optimal. Wenn es an die 300 Meilen geht, wenn Hersteller wie Mercedes, Audi oder BMW dabei sind, dann wird es auch für mich spannend.

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