Solarer Wandel

Portugal produziert mehr als die Hälfte seines Stroms aus erneuerbaren Energien. Diese beachtliche Quote realisiert das südeuropäische Land vor allem mit Wind und Wasserkraft. Die Kraft der Sonne wurde bisher nur wenig genutzt. Bis jetzt …

Portugal – für viele Menschen sind das die Strände der Algarve und die Hauptstadt ­Lissabon. Geschichtlich Interessierte wissen noch, dass Portugal einst ein koloniales Weltreich beherrschte, Fans des Fußballs kennen Christiano Ronaldo. Doch wer kennt schon die Region Alentejo? Kein Wunder, denn in dieser südöstlichen Ecke an der Grenze zu Spanien ist es nicht nur meist menschenleer, sondern vor allem heiß und trocken. Einst war es die Kornkammer Portugals, doch der Klimawandel hat hier längst andere Tatsachen geschaffen. Langanhaltende Trockenzeiten haben zum Niedergang der Region beigetragen und eine anhaltende Landflucht der Bevölkerung ausgelöst. Und der Ort Badajoz ist mit einem Rekordwert von 47,4 °C einer der heißesten Orte Europas.

Solarpark Moura

Ausgerechnet hier, zwischen uralten Korkeichen und knorrigen Olivenhainen, ist jetzt ein Stück Zukunft für Portugal entstanden. Denn statt sich der zerstörerischen Kraft des Himmels zu beugen, zapft man hier die Kraft unseres Zentralgestirns an. Und das in großem Maßstab. Und mit ein klein wenig Hilfe aus dem Norden. In Moura ist Mitte Juni 2021 ein Solarpark der Superlative ans Netz gegangen. Der Solarpark hat eine Nennleistung von 49,4 MWp und umfasst eine Fläche von 55 ha. Das reicht, um jährlich durchschnittlich 14.000 Haushalte mit Strom zu versorgen.

Zukunftsinvestition Solarpark

Doch Moura ist nur eine von insgesamt sechs ­Anlagen, die allein 2020 und 2021 vom deutschen Unternehmen Wirtgen Invest Holding in Auftrag gegeben wurden. Wirtgen Invest ist ein reines Familienunternehmen und hat seine Wurzeln im Straßen­baumaschinen-Hersteller Wirtgen. Der Maschinenbauer ist seit 2017 Teil der John ­Deere ­Company, doch Wirtgen Invest blieb im Familienbesitz und versteht sich heute als langfristig denkender und handelnder Investor, nicht nur im Bereich von Immobilien, sondern gerade auch im Energiesektor. Und hier investieren die Pfälzer sehr bewusst im Bereich der regenerativen Energien.

Portugal setzt in Zukunft stark auf Solarenergie. Bis 2030 sollen mehr als neun Gigawatt Leistung zu den bereits bestehenden Solarkraftwerken errichtet werden. Allein die Anlage in Moura umfasst mehr als 130.000 PV-Module, die eine Fläche von rund 50 ha bedecken. Zusammen mit den regionalen, benachbarten Photovoltaikanlagen Amareleja und Ferreira do Alentejo sowie den nördlich von Lissabon gelegenen Anlagen Cartaxo und Santarém und dem Anfang 2022 fertig gestellten Park in Lagos werden damit in Portugal jetzt jährlich über 325 Millionen kWh Grünstrom produziert, mit denen mehr als 80.000 Vier-Personen-Haushalte versorgt und über 100.000 t CO2 im Jahr eingespart werden können.

Vor Ort werden die einzelnen Solarparks von der WiNRG GmbH aus Hamburg gemanagt. Dieses Unternehmen ist im Bereich der erneuerbaren Energien eine Größe und realisiert zahlreiche Großprojekte weltweit. WiNRG ist zuständig für den Betrieb und die Vermarktung des erzeugten Stroms. Dabei stützen sie sich auf den Projektmanager EPC ­Conecon GmbH und den Systemintegrator für die Steuerung und die Überwachung von PV-Anlagen, die Zebotec GmbH. Die wiederum ist lizenzierter Systempartner von Phoenix Contact und arbeitet seit langem intensiv mit den Blomberger und Bad Pyrmonter Spezialisten aus dem Erneuerbare-Energien-Team zusammen.

Der Wächter des Kraftwerks

In Moura sammeln 525 Generatoranschlusskästen die Ströme der 7350 Photovoltaik-Strings ein, die von den 130.000 Modulen versorgt werden. Schon in den Anschlusskästen sorgen Überspannungs- und Blitzschutzableiter von Phoenix Contact für die nötige Absicherung. Gerade große Solarparks sind beliebte Ziele von Blitzen. Mit den Schutzgeräten werden daher die Energieparks vor kostspieligen Ausfällen geschützt.

Von den Generatoranschlusskästen gelangt der Strom direkt weiter in die gleiche Anzahl an Invertern. Diese wandeln den Gleichstrom aus den Solarmodulen in eine Wechselspannung. Der wieder wird von 20 Trafostationen aufgefangen, die die Spannung von 0,4 auf 30 kV transformieren. Die letzte Hürde vor Einspeisung ins lokale Stromnetz am Netzanschlusspunkt sind dann erneut Trafos, die aus 30 kV die dazu nötigen 60 kV machen.

Um all diese Schritte kontrolliert durchzuführen und dann noch eine gleichmäßige Einspeisung ins Stromnetz sicherzustellen, sind zahlreiche Messgeräte und Regler nötig. Der entscheidende Baustein dabei ist der Regler für Energieerzeugungsanlagen (EZA-Regler), der die vorliegende Spannung und Blindleistung von den verschiedenen Messstellen aufnimmt. Kommt es hier zu Abweichungen vom Regelwert, den die jeweiligen Netzbetreiber vorgeben, dann übermittelt der EZA-Regler die Messwerte an die einzelnen Wechselrichter, die sich im Bedarfsfall abregeln lassen.

Sensible Solarsensorik

Neben der Stromerzeugung fallen in großen Solarparks wie Moura viele Daten an, die erfasst, weiterverarbeitet und ausgewertet werden müssen, um anschließend beurteilen zu können, wie wirtschaftlich die PV-Anlage läuft. Deshalb befindet sich an jeder der 20 Trafostationen ein Datenlogger. Die Geräte arbeiten mit einem automatischen Erkennungsmodus, weshalb sich alle im PV-Park installierten Systeme einfach per Plug-and-Play verbinden lassen. Der in den Datenlogger integrierte Inverter-Manager empfängt die Daten der Wechselrichter via Ethernet und übergibt sie an eine ebenfalls eingebaute Kleinsteuerung aus der Axioline-Produktfamilie. Hier fließen zudem die Daten der angeschlossenen Wettersensoren ein.

Im Solarpark Moura sind insgesamt sechs Wetterstationen mit 14 Modultemperatursensoren, acht Pyranometern (Sensoren zur Messung der Sonneneinstrahlung), zwölf Referenzzellen, zwei Windrichtungssensoren, zwei Windgeschwindig­keitssensoren sowie zwei Kombisensoren für Temperatur, Luftfeuchte und Luftdruck montiert. Diese Umweltsensoren sind direkt an das Steuerungssystem gekoppelt. Durch die Verwendung der Wettersensoren kann der Anlagenbetreiber Rückschlüsse auf die Leistung seiner Solaranlage – die sogenannte Performance Ratio (PR) – ­ziehen. Falls die berechnete Performance Ratio zu niedrig ist, hat er die Möglichkeit, entsprechend einzugreifen.

Sämtliche Daten der Wechselrichter, Wettersensoren, Transformatoren und der Schaltanlage werden über eine redundante Ringstruktur per Lichtwellenleiter-Kabel an eine zentrale Parksteuerung gesendet, die sich im Kontrollraum befindet. Der EZA-Regler ist eine Kombination aus einer Industriesteuerung, hier einer PLCnext Control und angepasster Software von Phoenix Contact, die die Daten aufnimmt, abgleicht und an ein Asset-Performance-Management-Portal weiterleitet. Die aus den Daten resultierenden spezifischen Analysen, Warnungen und Berichte rationalisieren anschließend die Arbeitsprozesse.

Ohne Baum und ohne Strauch

Erwin Breukelman (li.) war gleich mehrfach vor Ort in Portugal

Erwin Breukelman ist mit Leib und Seele Techniker. Und seit mehr als zehn Jahren ein Experte bei Phoenix Contact, wenn es um den Anschluss und die Inbetriebnahme von Solaranlagen weltweit geht. Er war in allen sechs Solarparks des Gesamtprojekts vor Ort und hat dazu beigetragen, dass die solaren Leistungsbringer sicher und zuverlässig in Betrieb genommen wurden und ans Netz gingen. Die Software, die für den EZA-Regler und damit das Parkmanagement nötig ist, wurde von Spezialistinnen und Spezialisten bei Phoenix Contact in Zusammenarbeit mit dem Solution-Partner Zebotec erstellt.

Der 59-jährige gelernte Energieanlagenelektroniker erzählt, warum er gleich mehrfach in Portugal war: „Die Software wird hier in Bad Pyrmont nach den Anforderungen des Auftaggebers, in diesem Fall also Conecon aus Köln, programmiert und auch getestet. Vor Ort wird die Software dann aufgespielt und in der realen Umgebung noch einmal getestet. Denn wenn ein Parameter doch abweicht, dann ist ein Eingreifen vor Ort in diesem Status des Projekts deutlich einfacher als über den Umweg der Entwicklungsumgebung in Bad Pyrmont. Wenn im laufenden Betrieb Probleme auftauchen, dann können wir natürlich auch remote von hier aus eingreifen.“

Moura stellte den weitgereisten Experten dabei vor ganz eigene Herausforderungen: „Bei mehr als 40 Grad im Schatten kann man dort von Glück reden, wenn man mit seinem Auto auf der weitläufigen Anlage einen Strauch und damit einen Hauch von Schatten findet.“ Vor Ort loggt sich Breukelman dann in die Anlage und beginnt zusammen mit dem lokalen Team mit den abschließenden Funktionstests.

Solare Erfolgsgeschichte

Die ehrgeizigen Pläne Portugals gehen über die reine Stromerzeugung hinaus. In Moura entstand zusätzlich eine Solarmodulfabrik, die die Module für die zweite Stufe des Ausbaus lieferte. Zukünftig sollen hier jährlich Module für eine Leistung von 24 MW entstehen, die den internationalen Markt bedienen.

Moura ist ein wichtiger Baustein für die Energiewende in Portugal

Portugal ist damit nicht nur auf gutem Kurs, um sich weiter unabhängig von fossilen Energieträgern zu machen, sondern nutzt die vorhandenen regenerativen Energiequellen noch konsequenter aus. Und wenn das Land auf der iberischen Halbinsel eines hat, was sowohl Urlauber als auch Solarkraftwerker freut, dann ist das die Kraft der Sonne.

Wirtgen Invest
Zebotec
Phoenix Contact Solar

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